Dass Frauen in der Schwangerschaft rund werden, ist nicht nur den Gynäkologen bekannt. Weniger verbreitet ist, dass auch Männer unter Schwangerschaftssymptomen leiden. Dahinter steckt das "Couvade-Syndrom". Und das kann auch harte Kerle treffen.
Sind Frauen schwanger, können sie eine Reihe von Symptomen entwickeln. Verminderter bis gesteigerter Appetit auf bestimmte Speisen, Magenbeschwerden, Übelkeit, Verstopfung, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Depressionen und anderes mehr können ihnen den Alltag zusätzlich erschweren. Gewichtszunahme, ein sich rundender Bauch und Zunahme des Brustumfangs sind die für alle sichtbaren Symptome einer Schwangerschaft.
Kindbett des Mannes - vielleicht die Gene
Was aber, wenn der Partner unter ähnlichen Symptomen leidet, auch er an Gewicht zunimmt und sogar eine Bauchwölbung zeigt? Dann scheint es, als sei auch er ein bisschen schwanger. Und das ist gar nicht so selten. Offenbar entwickelt die Mehrzahl der Papas in spe Schwangerschaftssymptome. Das männliche Schwangerschaftssyndrom, von Psychiatern als "Couvade-Syndrom" (couvade, franz. brüten) bezeichnet, war lange Zeit nur beim Menschen beobachtet worden. Letztes Jahr entdeckten Toni E. Ziegler und Mitarbeiter des Wisconsin National Primate Center und Department of Psychology der Universität Wisconsin-Madison, USA; dass auch Krallenaffenmännchen, die Väter wurden, mehr Gewicht zulegten. Ergebnisse veröffentlichte das Journal "Biology Letters" der Royal Society. Die Forscher vermuteten, dass sich die Männchen Reserven für die anstrengende Zeit nach der Geburt zulegen. Denn bei dieser Art sind die Väter mindestens genauso engagiert bei der Brutpflege wie die Mütter. Hinter den Symptomen beim Menschen könnten ihrer Meinung nach auch evolutionäre Ursachen stecken, schlossen die Wissenschaftler aus ihrer Studie.
Symptome bis zur Scheinschwangerschaft
Das Couvade-Syndrom ist weder selten noch neu und hat eine lange ethnologische Geschichte. Besonders in Naturvölkern werden männliche Symptome und Gefühle in der Schwangerschaft der Partnerin auf unterschiedlichste Art rituell ausgelebt. Noch Anfang des letzten Jahrhunderts gab es noch im Mittelmeerraum Couvade-Rituale, bei denen Männer die Zeit vor der Niederkunft, die Geburt und das Kindbett nachahmten und sogar Frauenkleidung trugen. Während diesem Ritual kein Krankheitswert zuzuordnen ist, brauchen manche schwangere Männer heutzutage sogar ärztliche Hilfe. Dies belegt eine britische Studie der St. George's Universität von London. 282 werdende Väter zwischen 19 und 55 Jahren wurden in jedem Stadium der Schwangerschaft überwacht und mit einer Kontrollgruppe verglichen. Die meisten Männer entwickelten Symptome, darunter Stimmungsschwankungen, morgendliche Übelkeit oder sogar Scheinschwangerschaften mit schwellendem Bauch taten auf. Häufigstes Symptom waren Bauchkrämpfe. Mit Ausnahme der falschen Babybäuche, die nach der Geburt weiter zunahmen, verschlimmerten sich die Schwangerschaftssymptome während der Schwangerschaft und gipfelten im 3. Trimester, um nach der Geburt langsam nachzulassen.
Gefühle und Hormone machen Männer schwanger
"Diese Symptome haben nichts mit Effektheischerei zu tun", so Studienautor Arthur Brennan. "Häufig haben die Männer gar keine Vorstellung, was mit ihnen passiert und erleben die Symptome völlig unfreiwillig."Zwar mussten sich elf der in der Studie untersuchten Männer ärztlich behandeln lassen, doch ist das Couvade-Syndrom meist eher harmlos und besitzt keinen echten Krankheitswert. Offenbar rühren die körperlichen Schwangerschaftszeichen von unbewussten Ängsten und aggressiven Gefühlen. Rivalitätsgefühle und Verlustängste in dieser Lebensphase sind Betroffenen wohl kaum bewusst und suchen ihr Ventil. Unbewusst ist auch eine starke Identifizierung mit dem Partner. Die Symptome sind dann möglicherweise als Sympathiebekundung zu verstehen, so die positive Interpretation des Syndroms. Spielt eher Neid eine Rolle, nämlich Gebärneid, mögen diese Gefühle schon weniger freundlich erscheinen. Dann würde es eher um eine narzistische Krankung gehen, die aus dem erlebten Unvermögen hervorgeht.
Neben aller Psyche lassen sich aber offenbar auch auf körperlicher Ebene Veränderungen nachweisen. So ergab eine Bremer Studie an 150 werdenden Elternpaaren, dass Männer während der Schwangerschaft durchschnittlich vier Kilogramm Gewicht zulegten und körperliche Symptome aufwiesen. Sogar hormonelle Veränderungen scheinen bei werdenden Papas eine Rolle zu spielen, so das Ergebnis einer Studie der Memorial Universität von Neufundland bereits im Jahr 2000. Die Blutproben von werdenden Müttern und Vätern vor und nach der Geburt offenbarten, dass auch Väter veränderte Blutspiegel von Cortisol, Prolaktin und Testosteron aufwiesen. Ursache könnten Pheromone der Frau sein, auf die auch der Partner reagiert - egal ob leiblicher Vater oder Ersatzvater.