Sind Raucher taub oder dumm, wenn sie trotz bekannter Gesundheitsgefahren vom Glimmstengel nicht lassen? Eher scheint der Umkehrschluss richtig: Das Rauchen selbst erst schädigt längerfristig Gehör und Gehirn. Um dem frühzeitigen geistigen Verfall vorbeugen, lohnt es sich allerdings auch noch, in mittlerem Alter dem Laster abzuschwören.
"Rauchen kann tödlich sein", verkündet schon seit etlichen Jahren jede Zigarettenschachtel lautlos, aber unmissverständlich. Jeder weiß um die erhöhten Risiken wie Krebs, Lungen- sowie Herz- und Kreislauferkrankungen. Doch verhilft dies dem, der raucht, angesichts seiner Nikotinsucht nicht unbedingt unmittelbar zum Rauchstopp und zu Gesundheit. Entsagung aber wäre nötig, um nicht schon in mittlerem Lebensalter Zeichen der geistigen Vergreisung zu entwickeln, so die Wissenschaftlerin Séverine Sabia des Forschungsinstituts INSERM in Villejuif, Frankreich.
Die Logik leidet am meisten
Die Forscherin legte unlängst die Ergebnisse einer prospektiven Kohortenstudie vor, die das Fachjournal Archives of Internal Medicine veröffentlichte. Zugrunde liegen die Daten der Whitehall-II-Studie mit über 10.000 Staatsbediensteten des Regierungsbezirks London. Die 35- bis 55-jährigen Studienteilnehmer wurden in einer ersten Studienphase (1985 bis 1988) zu ihren Rauchgewohnheiten befragt. Eine wiederholte Befragung Jahre später in der fünften Studienphase (1997 bis 1999) und zusätzliche kognitive Tests ergaben, dass Raucher gegenüber Nichtrauchern ihre geistige Leistungsfähigkeit einbüßen. Betroffen waren vor allem Gedächtnis, Wortfindung und Logik. Ex-Raucher, die bereits in Phase 1 dem Qualm abgeschworen hatten, wiesen allerdings deutlich bessere Ergebnisse auf als Teilnehmer, die weiterhin rauchten. Noch deutlicher traten diese Unterschiede der geistigen Leistungsfähigkeit in einer siebten Untersuchungsphase (2002 bis 2004) zutage.
Die Testergebnisse belegen, dass mehr Raucher als Nichtraucher Nachuntersuchungen in der Folgezeit nicht mehr zur Verfügung standen. Dies hatte zweierlei Gründe: Erstens wollten sich viele Raucher nicht wiederholt untersuchen lassen, und zweitens wiesen Raucher ein erhöhtes Todesrisiko auf. Die Ergebnisse zeigen jedoch auch, dass sich die Rauchentwöhnung in mittleren Lebensjahren lohnt, so Sabia. Zwar spielten sozioökonomische Faktoren und das Gesundheitsverhalten bei den Ergebnissen eine Rolle, doch schnitten Raucher auch nach Berücksichtigung dieser Faktoren schlechter ab. Wegen des Verlusts an rauchenden Teilnehmern im Verlauf der Studie befürchtet die Wissenschaftlerin sogar eine noch größere Wirkung des Rauchens als die Studienergebnisse dies belegen konnten.
Auf beiden Ohren taub
Ungeahnten Sinn machen die deutlich sichtbaren warnenden Sätze auf jeder Zigarettenschachtel also auch insofern, als dass Raucher nicht nur ihre geistigen Fähigkeiten, sondern auch ihr Gehör frühzeitig mit dem Qualm verpuffen lassen. Diesen Schluss legt eine Studie von Erik Fransen der Universität Antwerpen nahe. Über 4.000 Frauen und Männer zwischen 53 und 67 Jahren hatten an einem Hörtest teilgenommen und Fragen zu ihrem Lebensstil und ihren Arbeitsbedingungen beantwortet. Demnach war nicht nur Lärmexposition mit einem signifikanten Hörverlust des Hörens hoher Frequenzen verbunden. Auch Rauchen erhöhte das Risiko für eingeschränktes Hören. Dabei war der Zusammenhang zwischen Nikotinkonsum und Hörverlust dosisabhängig, auch wenn kardiovaskuläre Erkrankungen in Rechnung gestellt und berücksichtigt wurden. Schlecht fürs Gehör war zudem ein erhöhter Body-Mass-Index (BMI), während moderater Alkoholkonsum eine inverse Beziehung zum Hörverlust aufwies, lautet es in der Online-Version der Studie im Journal of the Association for Research in Otolaryngology.
Überraschend erscheinen die neuen Ergebnisse im Hinblick auf die bekannten längerfristigen Wirkungen des Rauchens allerdings nicht. Durchblutungsstörungen aufgrund Gefäßverengung und Arteriosklerose können wahrscheinlich annähernd jedes Organ schädigen und vorzeitig altern lassen. Nach den aktuellen Ergebnissen jedoch bleibt manchem Raucher immerhin die Hoffnung, bestimmte Gesundheitsfolgen im doppelten Sinne des Wortes gar nicht mehr zu verstehen...