Wenn es um die chemische Verbindung Glyphosat geht, herrscht Uneinigkeit: Die Europäische Chemikalienagentur stuft Glyphosat als ungefährlich ein. Fragen bleiben trotzdem offen, nachdem andere Forscher zumindest Hinweise auf krebserregende Eigenschaften fanden.
Die Zulassung von Glyphosat läuft befristet bis Ende 2017. In ihrer Stellungnahme zur Neubewertung erwähnt die Europäische Chemikalienagentur ECHA bei Glyphosat langjährig bekannte Eigenschaften. Als Gefahren nennt sie vor allem schwere Augenschädigungen und langfristig gewässergefährdende Eigenschaften. Damit folgen ECHA-Experten einer Empfehlung der deutschen Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).
Das Komitee für Risikobewertung (RAC) sei zum Schluss gekommen, dass die Substanz Glyphosat „nicht die Kriterien erfüllt, um als Karzinogen, Mutagen oder als reproduktionstoxisch klassifiziert zu werden“, erklärt Professor Dr. Jan Hengstler. Er ist Leiter des Forschungsbereichs Toxikologie / Systemtoxikologie am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung in Dortmund. „Sowohl die verfügbaren Langzeitstudien an Ratten und Mäusen als auch epidemiologische Daten rechtfertigen nicht die Schlussfolgerung, dass Glyphosat karzinogen oder mutagen ist“, so Hengstler weiter. Unter den derzeitigen Nutzungsbedingungen von Glyphosat bestehe für Menschen kein erhöhtes Krebsrisiko. Vom Fazit ist er nicht überrascht, da es – verglichen mit früheren Bewertungen – keine neuen Studien gegeben hätte. „Ich sehe das Dokument der BAuA und die Entscheidung der ECHA als komplett und ausgeglichen an“, ergänzt Prof. Dr. Daniel Dietrich. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe Human- und Umwelttoxikologie and der Universität Konstanz. Dietrich sieht hier eine „klare Übereinstimmung mit der Einschätzung des JMPR (Joint FAO/WHO Meeting on Pesticide Residues) als auch mit der Einschätzung der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit)“.
Doch es gibt auch andere Einschätzungen. Die Internationale Krebsagentur IARC bewertet Glyphosat als „wahrscheinliches“ Karzinogen (Gruppe 2A). Substanzen dieser Kategorie lösen in Tierversuchen Krebs aus. Bei Mäusen führt Glyphosat zu mehr Karzinomen der Nierentubuli, Hämangiosarkomen oder Inselzell-Adenomen. Beim Menschen existieren zwar Assoziationen aus Fall-Kontroll- oder Beobachtungsstudien. Die Daten liefern aber keinen zweifelsfreien Beleg. In drei Fall-Kontroll-Studien war Glyphosat mit erhöhten Raten von Non-Hodgkin-Lymphomen verbunden. Warum unterscheiden sich zwei Gutachten derart stark? Laut ECHA-Mitarbeiter Ari Karjalainen habe seine Institution Zugang zu umfangreicheren Studien gehabt als die IARC. Kritikern zufolge seien mehr industriefinanzierte Arbeiten verwendet worden. Auch die New York Times äußert massive Anschuldigungen. Internen Dokumenten zufolge hätte Monsanto mehrfach versucht, sowohl einzelne Wissenschaftler als auch die amerikanische Umweltschutzbehörde EPA zu beeinflussen. Industriefinanzierte Forschungsprojekte sollten als Veröffentlichungen seriöser Experten ausgegeben werden.