Die Aktion „Saubere Hände“ macht es vor: Händewaschen kann so einfach sein. Oder doch nicht? Ärzte und Pflegekräfte leiden immer häufiger unter einer schleichenden Form der kollektiven Demenz. Nachhilfe in Hygiene wirkt zunächst, gerät aber schnell wieder in Vergessenheit.
Die vermeintliche Epidemie fiel kürzlich zuerst hier auf, an der Medizinischen Hochschule Hannover. Ärzte und Pflegepersonal auf den zehn Intensiv- und zwei Knochenmarktransplantationsstationen folgten zuvor begeistert den Empfehlungen der Aktion „Saubere Hände“. Die Compliance bei der Händehygiene stieg beim ärztlichen und Pflegepersonal auf ein nie dagewesenes Maß an. Gemeinsam hatte man den nosokomialen Infektionen den Kampf angesagt. Doch dann innerhalb kürzester Zeit wurden die hoffnungsvollen Fortschritte in der Händehygiene vom schleichenden Vergessen zunichte gemacht. Die Compliance-Raten für die Händedesinfektion fielen auf die Ausgangswerte zurück (Ärzte: 48 %, Pflegende: 56 %) und erholten sich nicht mehr. Ein paar besorgte Forscher erkannten die Symptome und suchten seitdem fieberhaft nach einer Therapie. Was sie dabei entdeckten, lässt erste Hoffnung aufkeimen. Aber die vollständige Heilung scheint dennoch in einiger Ferne.
Im Jahr 2013 wurden Stationsärzte und Pflegende für die aktuell ausgewertete Studie in zwei Gruppen eingeteilt. Im Interventionsarm („Behandlungsarm“) wurden 29 maßgeschneiderte Verhaltensänderungstechniken (z. B. Feedbackgespräche; Rückmeldung der krankenhausweiten Fallzahlen bei nosokomialen Infektionen; Fluoreszenz-Methode, um Übertragungswege darstellen zu können; Zertifikate) in Gesprächen und Trainings angewendet, um die Compliance bei der Händehygiene nachhaltig zu erhöhen. Die Kontrollgruppe bekam indes wiederholte Schulungen, wie von der Aktion „Saubere Hände“ vorgeschlagen. Zu Beginn der Beobachtungen betrug die Compliance-Rate in beiden Gruppen circa 55 %. In den Folgejahren stieg diese Erfolgsrate in der Interventionsgruppe 2014 auf 64 % (p < 0,001), 2015 sogar auf 70 % (p = 0,001) an. Im Kontrollarm stieg die Compliance hingegen 2014 auf 68 % an, fiel dann aber 2015 erneut auf 64 % ab. Wiederholung allein reicht demnach nicht aus, um die Hygiene wirklich lang anhaltend zu verbessern. Maßnahmen, die das Problem zum Beispiel mit Hilfe von Fluoreszenzfarbstoffen regelrecht „vor Augen führen“, sind anscheinend ein guter Ansatz, um die Compliance zu erhöhen.
Insgesamt waren die Maßnahmen bei den Pflegekräften etwas wirkungsvoller als bei den Ärzten. Deshalb sind weitere Studien notwendig, um zielgruppengerechte Interventionen zu finden und die Compliance des medizinischen Personals in seiner Gesamtheit zu verbessern. Quelle: Promoting hand hygiene compliance: PSYGIENE—a cluster-randomized controlled trial of tailored interventions. von Lengerke T et al., Dtsch Arztebl Int; doi:10.3238/arztebl.2017.0029; 2017