Um die Compliance der Patienten bei der Medikamenteneinnahme zu erhöhen, sollen Pillendosen jetzt anfangen zu blinken. Die intelligenten Hütchen können aber auch kommunizieren - mit dem Patienten, mit Angehörigen oder mit der Apotheke.
Je heißer der Sommer, umso heißer die Diskussionen: Seit ein paar Monaten ist die Patientencompliance im deutschen Gesundheitswesen zum Megathema geworden. Grund sind vor allem die Rabattverträge, die bei Millionen von Patienten eine Umstellung der Medikation zur Folge haben. Vor allem in den Apotheken hat das für erhebliche Unruhe gesorgt. Denn dort werden die Patienten plötzlich mit einer ganz anderen als der gewohnten Schachtel konfrontiert. Auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWIG gilt zumindest einigen Kritikern als Compliance-Killer, seit es einen Zusatznutzen der Fixkombinationen in der inhalativen Asthma-Therapie in Zweifel gezogen hat und keinen wissenschaftlichen Beleg für eine höhere Compliance bei Verwendung der Kombiprodukte fand.
Daniel Düsentrieb: Omi braucht Helferlein mit Glühkappe
Dass die Compliance der Patienten ein Problem ist, daran freilich zweifelt so gut wie niemand. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ABDA beispielsweise hat gerade ausgerechnet, dass Non-Compliance jährlich etwa zehn Milliarden Euro an Kosten verursacht, weil die Zahl der Komplikationen steigt, wenn jedes vierte Medikament nicht eingenommen wird. Ein kongenialer Vorschlag, wie dem Thema der schlechten Compliance zu Leibe gerückt werden könnte, kommt jetzt von dem US-Unternehmen Vitality: Die intelligente Glühkappe. Es handelt sich um eine mit Leuchtdioden ausgerüstete Verschlusskappe für ein Arzneimitteldöschen, die dem Patienten in Sachen Pillenkonsum genau auf die Finger schaut. Hat er all seine Tabletten brav eingenommen, so leuchtet eine blaue Leuchtdiode auf, die in die Kappe eingelassen ist. Steht eine Einnahme unmittelbar bevor, erinnert eine orangefarbene Leuchte an die lästige Pflicht. Und wurde eine Dosis vergessen, wird die Sache rot. Wer jetzt einwendet, dass das alles wenig nutze, wenn das Döschen tief in der Handtasche vergraben ist, verkennt die Leistungsfähigkeit des GlowCap genannten Gadgets voll und ganz. GlowCap ist nämlich nicht nur eine intelligente Ampel, sondern auch eine Kommunikationskanone. Auf Wunsch ruft der Tausendsassa den Patienten vor jeder Einnahme auf dem Handy oder auch auf dem Festnetz an.
Neue Medien? Kinderspiel!
Auch E-Mail beherrscht das Käppchen anstandslos, was unter anderem dazu genutzt werden kann, einen monatlichen Bericht über das Einnahmeverhalten zu erstellen. So sieht jeder sofort, wie gut er in den letzten vier Wochen beim Tablettenmarathon abgeschnitten hat. Auch Verwandte und natürlich der behandelnde Arzt können auf diese Weise unkompliziert informiert werden, ob und wie Omi ihre Pillen eingenommen hat. Von geradezu gesamtwirtschaftlicher Bedeutung schließlich ist die E-Mail an den zuständigen Apotheker, sobald der Tablettenvorrat zur Neige geht. Schluss mit voreilig ausgestellten Wiederholungsrezepten! Schluss mit übrig gebliebenen Tabletten, die scheu in die Toilette gekippt werden, wenn einen Tag vor dem nächsten Arzttermin noch die halbe Schachtel voll ist! Wer eine schlechte Compliance hat, braucht weniger Rezepte, und Daniel Düsentriebs Helferlein, Verzeihung, Glühkappe sorgt dafür. So einfach kann Kostendämpfung sein.
Echte Menschen helfen auch.
Nun sind die Mitarbeiter von Vitality natürlich nicht die einzigen, die sich Gedanken darüber machen, wie die Compliance von Patienten verbessert werden kann. Technik braucht es dazu nicht zwingend. "Verschiedene internationale Studien belegen: Gerade Apotheker können dazu beitragen, die Compliance zu verbessern", sagte beispielsweise Professor Ulrich Jaehde von der Universität Bonn auf dem Pharmacon der Bundesapothekerkammer. "Wenn es dem Apotheker gelingt, den Patienten vom Nutzen des Arzneimittels zu überzeugen, dann wird die Compliance steigen", so Jaehde. Auch gezielte Verhaltenstipps können helfen, und schließlich kann die Compliance im Rahmen des Hausapothekenprogramms überprüft werden, bei dem gegebenenfalls eine Vereinfachung der Therapie vorgenommen wird. Auch regelmäßige Besuche bei chronisch kranken Menschen fördern die Compliance, etwa durch Gemeindeschwestern, die sich in Mecklenburg-Vorpommern wachsender Beliebtheit erfreuen. Dass Kassenärztliche Bundesvereinigung und Bundesärztekammer gerade erst wieder eine Breitseite gegen eine stärkere Beteiligung der Pflege an der medizinischen Versorgung geschossen haben, während überall sonst auf der Welt die Ärzte heilfroh darüber sind, dass ihnen Arbeit abgenommen wird, ist auch in der Compliance-Debatte eine Fußnote wert.