Im Spitzensport scheinen Höchst- und Bestleistungen nur noch unter der Zuhilfenahme von Dopingmitteln möglich zu sein. Selbst die öffentlich rechtlichen Sender ziehen sich aus den Übertragungen zurück und ehemalige Spitzensportler geben geläutert reumütige Interviews. Doch wie sieht es beim Medizinstudium aus?
Werden im Medizinstudium heutzutage auchnur noch Höchstleistungen unter Zuhilfenahme von unerlaubten Substanzen jenseitsdes althergebrachten Koffeins erzielt? Welche Vorteile ergaunern sichskrupellose Studierende gegenüber ihren "ungedopten" Leidensgenossen? Die, auf den ersten Blick plakativ erscheinende Einleitung, ist bei genauerem Hinsehen leider keine Fiktion, sondern an vielen deutschen Hochschulen längst zur Praxis geworden. Um dem enormen Leistungsdruck standhalten zu können, greifen immer mehr Studierende zu illegalen Mitteln, um sich in Prüfungen gewisse Vorteile zu verschaffen. Wir haben - exklusiv für Euch! - mit einem ehemaligen Studenten gesprochen, welcher über viele Jahre hinweg sein Studium "im Rausch" absolviert hat und bestätigt, dass es sich hierbei keineswegs um einen Einzelfall handelt. Wir weisen darauf hin, dass die im Interview genannten Praktiken keinesfalls zur Nachahmung geeignet sind, und bitten daher um kritisches Betrachten des Textes! Sämtliche Namen von Betroffenen wurden von uns geändert; die Orte der Handlung, sowie die Begebenheiten des erschreckenden Berichts entsprechen jedoch der Realität.
MS = medizinstudent.de CM = Christian Mall (Name geändert)
MS: Christian, vielen Dank für Deine Bereitschaft, uns hier Rede und Antwort zu stehen. Vielleicht vorab ein paar Worte zu Deiner Person und zu Deinem bisherigen Lebenslauf? CM: Ich werde im Winter 32 Jahre alt und arbeite derzeit als Assistenzarzt in einer Klinik in der Eifel. Mein Medizinstudium habe ich an der Universität in Heidelberg absolviert. Ich habe auch in einem Vorort von Heidelberg - später dann in Mannheim - gewohnt. Meine Approbation habe ich im letzten Jahr (2006) erhalten. Derzeit arbeite ich, neben meinen Diensten, an meiner Dissertation.
MS: Du weißt ja, worüber wir hier sprechen wollen?! Das Thema "Drogenmissbrauch" ist ein heikles Thema - erst recht in Verbindung mit dem Medizinstudium. Von (angehenden) Ärzten erwartet man eigentlich Verantwortungsbewusstsein und ein Wissen um die möglichen Folgen...?!? CM: Natürlich! Ich kann hier, als ehemaliger Betroffener, nur in aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass Drogenkonsum keine Lösung - gleich welcher Probleme - darstellt. Meine eigene "Karriere" hat einen etwas komplexen Hintergrund: Ich bin sehr spät an herkömmliche Genussmittel wie Tabak und Alkohol geraten. In meiner Kindheit und früheren Jugend war ich im Leistungssport, und hatte dadurch weniger Berührungspunkte mit Rauchern und Trinkern in meinem Alter (was ganz einfach kontraproduktiv bei der sportlichen Leistung gewesen wäre). Insofern habe ich mich auch lange geziert, auf Partys mal einen Joint mitzurauchen. Mir war einfach der Genuss von Tabak zuwider. Aber wie das so ist...irgendwann bin ich dem Druck von außen erlegen und habe mich überreden lassen, auch mal Haschisch zu probieren. Was soll ich sagen? Obwohl bei vielen Erstkonsumenten die Wirkung völlig ausbleibt, war für mich sonnenklar: Das ist meine Droge! Ich war super breit und sofort von dem Flash angefixt. Die Umwelt, die Musik, die Leute...alles habe ich plötzlich in einem ganz anderen Fokus wahrgenommen. Mir war klar, dass ich dieses Erlebnis wiederholen muss. Während der Vorklinik habe ich dann jeden Tag mit Kommilitonen auf meiner Bude in Heidelberg übelst gekifft, Speed und Koks gezogen und Alkohol konsumiert. Wir haben keine Vorlesung besucht, sondern nur das absolute Pflichtprogramm an der Uni absolviert. Und selbst in den Seminaren und Praktika waren wir in der Regel stoned. Von den Dozenten hat das keiner bemerkt - vielleicht wollte das auch keiner sehen?! Die Klausuren habe ich - und hier kommt das Unglaubliche - jedoch allesamt auf Anhieb bestanden. Dies verdanke ich einerseits meiner Gabe, Gelesenes schnell behalten zu können, sowie meiner Ader für Naturwissenschaften. Hinzu kam die Bereitschaft, mich täglich wenigstens eine Stunde oder zwei zum Lernen zu zwingen. Ich war also nicht nur 24 Stunden auf "Wolke 17", sondern in gewisser Weise noch so vernünftig, mir den Stoff adäquat ins Hirn zu prügeln. Kurz vor dem Physikum wurde ich dann sehr krank. Aus dieser Krankheit resultierte eine Depression, an welcher ich bis zum heutigen Tag leide, und welche wohl zeit meines Lebens medikamentös behandelt werden muss. Das Physikum musste ich also vorläufig auf Eis legen, um stationär und später ambulant behandelt werden zu können.
MS: Zwischenfrage: Die Krankheit hatte mit Deinem Drogenkonsum zu tun? CM: Nein. Ich kann hier nur leider nicht mehr ins Detail gehen, sonst laufe ich Gefahr, dass der ein oder andere Leser mich vielleicht doch erkennt. Während der Genesung merkte ich, dass ich die Möglichkeit hatte, mich während einer depressiven Phase durch Zuhilfenahme von Cannabis in eine Art "Hoch" zu schießen. Das hatte zur Folge, dass ich immer stärker von den Substanzen abhängig wurde. Dies ist ja auch ein Phänomen, was oftmals verharmlost wird: Von Cannabis kann man - entgegen langläufiger Meinungen - sehr wohl abhängig werden! Mit einigen Jahren Verzögerung konnte ich also mein Studium wieder aufnehmen und mich auf das Physikum vorbereiten. Damals haben mir viele Leute von diesem Schritt abgraten (auch meine Eltern), da alle Angst hatten, dass die große psychische Belastung einen depressiven Schub auslösen könnte. Es ahnte ja kaum jemand von meiner "Geheimwaffe". Unter dem Einfluss von NSRI und anderen harten Antidepressiva bin ich dann auch in die ein oder andere mündliche Prüfung gestolpert. Das hat so weit geführt, dass mich einmal ein bekannter Heidelberger Anatomieprofessor während einer mündlichen Prüfung während des Physikums gefragt hat, ob ich "Betablocker eingeworfen" hätte. Ich muss wohl sehr cool und selbstsicher gewirkt haben im Gegensatz zu meinem Mitprüflingen. Als ich geantwortet habe: "Nein, Antidepressiva!", hat der Professor ganz schön verdutzt aus der Wäsche geschaut. Ich habe ihm dann von meinem Leiden erzählt und die Prüfung mit einer Zwei bestanden.
MS: Meinst Du, dass Du Dir dadurch einen Vorteil gegenüber den anderen Studierenden verschafft hast? CM: Auf alle Fälle! Ich wünsche zwar keinem eine Depression, da dies eine wirklich schlimme und ernstzunehmende Krankheit ist - aber an diesem Tag hatte ich eindeutig einen Vorteil. Ich war auf den Mitteln einfach viel entspannter und selbstsicherer. Das hat auf alle Fälle geholfen!
MS: Wie ging es dann während Deines klinischen Abschnitts des Studiums weiter? CM: Ich bin von Heidelberg nach Mannheim umgezogen. In der Klinik war ich eigentlich noch freier als im vorklinischen Abschnitt des Studiums. Fast alle Unterschriften aus den Seminaren habe ich gefälscht - den Dozenten und Doktoren war das auch teilweise scheißegal, ob man physisch anwesend war oder nicht. Ich habe also meine altbekannte Lebensweise fortgeführt, welche darin bestand, sich schon vormittags platt zu machen, aber parallel zu schauen, dass man den Lernstoff doch irgendwie in den Schädel bekommt. Auch meine Famulaturen habe ich allesamt auf illegalem Wege "absolviert": Einige meiner früheren "Drogenkollegen" von der Uni waren zwischenzeitlich Assistenzärzte oder saßen zumindest an solchen Stellen, wo man schon einmal einen Klinikstempel und eine Unterschrift unter einen Famulaturschein setzen konnte. Sprich: Ich habe keine der vorgeschriebenen Praktika besucht, aber alle als absolviert bescheinigt bekommen. Das hat später, während meines praktischen Jahres, zu sehr peinlichen Situationen geführt, da ich nicht einmal Blut abnehmen konnte, geschweige denn wusste, wann bei einer Operation was zu machen ist. Meine Art des Studierens ist also keinesfalls zur Nachahmung geeignet.
MS: Es ist wirklich verwunderlich, dass Du solch ein anspruchvolles Studium in dem von Dir geschilderten Zustand überhaupt gepackt hast. Wie ging es denn weiter? CM: Nun gut...das zweite Staatsexamen war natürlich eine große Hürde für mich. Ich habe dieses aber auf die mir altbekannte Erfolgstour durchgezogen: Ordentlich Tabletten und andere Substanzen eingebaut, damit ich ruhig und gelassen werde, um mein dürftiges Wissen nicht durch Nervosität noch schlechter werden zu lassen. In der mündlichen Prüfungsgruppe, in welcher ich saß, waren dann außer mir nur hervorragend vorbereitete Strebermädchen von der Uni, die auf klarem Kurs zur Note "Sehr gut" waren. Ohne meine chemischen Hilfsmittel wäre ich hier bestimmt vor Unsicherheit gescheitert. So habe ich aber relativ souverän wenigstens noch eine Drei ergattert. Den Coolmachern sei dank!
MS: Und heute? CM: Ich arbeite jetzt seit fast einem Jahr festangestellt an einer Klinik. Mir macht die Arbeit Spaß, und ich schaffe es, nur noch ganz selten einen drauf zu machen. Mein Ziel ist es, mittelfristig von den Drogen ganz wegzukommen - leider ist das aber leichter gesagt als getan. Ich habe auch Angst, dass die Depression mich dann wieder voll in ihren Griff bekommt und mich arbeitsunfähig macht. Das ist kein so schöner Gedanke.
MS: Christian...ganz ehrlich: Bist Du der Meinung, dass ein praktizierender Arzt mit der ihm aufgelegten Verantwortung, überhaupt an solche Dinge denken dürfte? CM: Ich bin während des Dienstes natürlich clean. Alles andere wäre ja auch selbstmörderisch. Die Leute um mich herum sind ja nicht dumm - da müsste nur einer Verdacht schöpfen, und das wär's dann für mich gewesen. Nein, nein...da habe ich natürlich keinen Bock drauf! Man muss halt immer abschätzen, was man verträgt, und wie und wann man das für sich und gegenüber dem Patienten verantworten kann. Das war damals, als Student, natürlich viel einfacher, als es heute für mich ist. Vielleicht bekomme ich die Sache ja auch früher oder später in den Griff?! Schön wäre es! Man darf auch nicht vergessen, wie viele Ärzte zur Flasche greifen - anscheinend zieht dieser Beruf den Drang zum Bedröhnen nach sich...?!?
MS: Christian, ich danke Dir sehr für das interessante Gespräch! Alles Gute!
Johannes Berthold