Selten hatte eine gesundheitspolitische Innovation innerhalb so kurzer Zeit so durchschlagende Wirkung. Schon vor Ende der Übergangszeit für die Apotheken zeichnet sich ab, dass die Rabattverträge den Generikamarkt umpflügen.
Wer im Urlaub in Österreich in die Situation kommt, in einer österreichischen Apotheke eine Packung generisches Amoxicillin und ein Schächtelchen Ibuprofen erwerben zu müssen, der staunt mitunter nicht schlecht. Dieselben Packungsgrößen sind bei unseren südlichen Nachbarn, Stand Dezember 2006, etwa ein Drittel billiger als die Standardgenerika, die der Selbstzahler in einer deutschen Apotheke angeboten bekommt. Wer zum Teufel ist Teva? Weil Beobachtungen wie diese auch der eine oder andere Gesundheitspolitiker gemacht hat, wurde das Instrument der Rabattverträge erfunden, bei denen Krankenkassen mit Generikaherstellern entweder pauschal oder herunter gebrochen auf einzelne Substanzen Preisnachlässe aushandeln. Erste wissenschaftliche Auswertungen der Folgen der seit Anfang April möglichen Verträge werfen die drängende Frage auf, warum diese gesundheitspolitische Innovation erst jetzt eingeführt wurde. Zahlen liefert bisher vor allem das Darmstädter Unternehmen IMS Health, das die Folgen der AOK-Verträge untersucht hat, die federführend von der AOK Baden-Württemberg ausgehandelt werden. Anders als andere Kassen hat die AOK einzelne Wirkstoffe beziehungsweise Wirkstoffkombinationen ausgeschrieben und hat sich bei ihren Verträgen verstärkt auf Anbieter konzentriert, die bis dato auf dem deutschen Markt unterrepräsentiert waren. Für jeden rabattierten Wirkstoff wurden ein bis drei Anbieter unter Vertrag genommen. Auf diesem Wege machen deutsche Ärzte, Apotheker und Versicherte derzeit Bekanntschaft mit Unternehmen wie beispielsweise Teva aus Israel. Teva gehört weltweit zu den Top-Playern auf dem Generikamarkt. Dass das Unternehmen bisher in Deutschland so gut wie keine Rolle spielte, sagt einiges über den hiesigen Markt aus. Wachstumsraten wie zu Zeiten der New Economy IMS Health hat mittlerweile sowohl den Apothekeneinkauf als auch, einige Wochen später, die Abverkäufe untersucht und hat dabei im wesentlichen parallele Trends nachweisen können. Anders ausgedrückt: Die Rabattverträge schlagen sich nicht nur im Einkauf, sondern auch im Abverkauf nieder, und zwar schon deutlich vor Ablauf der bis Ende Mai geltenden Übergangsfrist für Apotheken. Einige der Hersteller, die die AOK unter Vertrag genommen hat, konnten ihren Marktanteil bei der Menge der verkauften Packungen innerhalb weniger Wochen fast verzehnfachen. Ein Beispiel ist das Antidiabetikum Glimepirid, wo ein Anbieter mit bisher einem Prozent Marktanteil jetzt bei rund zehn Prozent liegt. Bei Carvedilol schnellte ein anderer Anbieter von einem halben auf sechs Prozent Marktanteil in die Höhe. Ähnliche Verschiebungen gibt es bei Amlodipin, Lisinopril oder Moxonidine. Besonders deutlich war der Effekt auch bei dem quantitativ für die Krankenkassen extrem relevanten Simvastatin. Hier hat die AOK bisher Rabattverträge mit den Unternehmen AAA Pharma, Actavis und Basics geschlossen. Das in Deutschland erfolgreichste dieser drei Unternehmen hatte im Jahr 2007 in den Kalenderwochen 4 bis 13 einen Marktanteil bei den Apothekenabverkäufen von Simvastatin-Packungen von unter zwei Prozent. Innerhalb einer Woche nach Inkrafttreten des Rabattvertrags schnellte dieser Marktanteil dann auf elf Prozent in die Höhe. "Es zeigt sich, dass die über Wirkstoffe abgeschlossenen Rabattverträge auch bislang weniger im Markt vertretenen Unternehmen die Chance bieten, deutlich Marktanteile zu gewinnen", kommentiert IMS diese Resultate. Bei der Arztpraxis-Software wackelt das Geschäftsmodell Sollte der Trend anhalten beziehungsweise noch zulegen, dann könnte sich mit diesem lapidaren Satz ein Umbruch im deutschen Generikamarkt ankündigen, der längst nicht nur die Abverkäufe in den Apotheken betrifft. Hoch interessant wird beispielsweise, wie sich Rabattverträge mittelfristig auf den Markt für Arztpraxissoftwaresysteme auswirken werden. Die Hersteller dieser Systeme finanzieren sich bisher wesentlich über umstrittene Werbung von Generikaherstellern und Re-Importeuren direkt in der Verordnungssoftware. Diese Werbung wird für die Hersteller umso uninteressanter werden, je höher der Anteil der Generika wird, die innerhalb von Rabattverträgen verordnet beziehungsweise abverkauft werden. Gleiches gilt natürlich für die ohnehin schon stark zurück gegangenen Vergünstigungen, die einige Generikahersteller den Apothekern gewährten. Für den einzelnen Heilberufler sind diese Veränderungen zunächst negativ, weil sie sich ungünstig auf seinen Gewinn auswirken. Dem System als Ganzes aber können sie mittelfristig nur gut tun.