Dass Rotwein die Gefäße schützt, hat sich mittlerweile herum gesprochen. Jetzt zeigt eine neue Untersuchung, was die Grundlagenforschung schon eine Weile vermuten ließ: Alkoholfreier Wein tuts auch.
Medizinisch betrachtet gehören Weintrinker schon länger zu den glücklicheren Drogenkonsumenten. Anders als Tabakraucher, die sich ständig mit dem Gedanken plagen müssen, sich eventuell die Lungen zu ruinieren, können Anhänger von Rebensaft jedes Glas stolz zu einem Präventivarzneimittel für das kardiovaskuläre System umdeklarieren.
Kern und Schale sind die Jungbrunnen der Trauben
Strittig war lange, was genau am Rotwein eigentlich so außerordentlich günstig für die Herz-Kreislauf-Physiologie ist. Der Alkohol? Andere Inhaltsstoffe? Diverse Kohortenerhebungen haben immer mal wieder auch für Bier und Weißwein schützende Eigenschaften nahe gelegt. Aber Epidemiologie beweist bekanntlich nichts. Und zumindest die handfeste Grundlagenforschung hat in letzter Zeit eher den Rotwein als spezifisch protektiv eingekreist. Vor allem die zu den roten Weinfarbstoffen zählenden Polyphenole, die sich vor allem in den Kernen und in der Schale der Trauben anreichern, sind durch Untersuchungen des Briten Roger Corder zu heißen Kandidaten für den Status eines Kardioprotektivums geworden. Je länger der Winzer sein Produkt keltert, und je höher die Hanglage, auf der sich der Weinberg befindet, desto mehr Polyphenole enthält ein Rotwein und desto günstiger ist er für das Herz-Kreislaufsystem, so Corders Faustregel, die er im Laufe mehrerer Publikationen in der Fachzeitschrift Nature herausgearbeitet hat. Auch die Rebsorte scheint relevant zu sein. Vor allem die der Cabernet Sauvignon verwandten Tannat-Trauben sind reich an günstigen Polyphenolen. Corder konnte auch zeigen, dass diese von ihm identifizierten Faktoren zumindest in einigen Regionen deutlich mit einer längeren Lebensspanne der dort ansässigen Bevölkerung korrelieren.
Spielverderber wollen den Alkohol ganz los werden
Die Forschungen zu den Polyphenolen im Rotwein legen eine Schlussfolgerung nahe, der bisher noch nicht explizit in prospektiven Studien nachgegangen wurde. Wenn es stimmt, dass die Polyphenole und nicht der Alkohol verantwortlich für die günstigen Herz-Kreislauf-Effekte einiger - nicht aller - Rotweine sind, dann müsste alkoholfreier Rotwein ebenfalls diese günstigen Effekte haben, sofern die richtigen Trauben zum Einsatz kamen beziehungsweise lange genug in richtiger Höhenlage gekeltert wurde. Passionierten Weintrinkern wird das natürlich wie Spielverderberei vorkommen. Wie auch immer: Wissenschaftler um Dr. Armin Imhof von der Klinik für Innere Medizin des Universitätsklinikums Ulm haben jedenfalls jetzt auf der 73. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie eine kleine Studie vorgestellt, in der sie dieser Frage prospektiv nachgegangen sind. Als Outcome-Parameter wählten sie die Infiltration der Gefäßwände mit Monozyten, also ein sehr frühes morphologisches Korrelat einer entstehenden Arteriosklerose.
Ergebnis: Wasser schadet der Gefäßwand
Insgesamt nahmen 42 freiwillige Probanden an der Untersuchung teil. Sie konsumierten drei Wochen lang genau vorgeschriebene Mengen unterschiedlicher Getränke. Die eine Gruppe erhielt eine 12,5-prozentige Alkohollösung. Vier weitere Gruppen bekamen entweder Rotwein oder Bier oder jeweils die alkoholfreien Varianten dieser Getränke. Eine Kontrollgruppe schließlich trank nichts als Wasser. Bei allen Gruppen hatte der regelmäßige Konsum der jeweiligen Getränke zur Folge, dass weniger Monozyten in die Gefäßwände einwanderten. Lediglich in der rein mit Wasser versorgten Kontrollgruppe änderte sich nichts an der Neigung der weißen Blutzellen, in die Gefäßwand abzudriften. Sowohl der mäßige Konsum alkoholischer als auch alkoholfreier Getränke habe also offenbar einen gewissen schützenden Effekt auf das Herz-Kreislaufsystem, so die Schlussfolgerung der Forscher. Die nächste Frage lautet nun freilich, worauf der Effekt bei alkoholfreiem Bier zurück zu führen ist. Alkohol und die roten Polyphenole zumindest scheiden aus.