Heilt eine spezielle Diät Typ-1- und Typ-2-Diabetes? Diese Vermutung äußern Zellbiologen auf Basis einer tierexperimentellen Studie. Ihre Resultate bewerten sie trotz offener Fragen als relevant für die Humanmedizin.
Intervallfasten, sprich intermittierendes Fasten, verlängert die Lebenserwartung von Nagetieren. Diese Erkenntnis haben Wissenschaftler schon vor Jahren gewonnen. Wie komplex die Auswirkungen auf den Stoffwechsel sind, zeigt eine Arbeitsgruppe um Valter D. Longo, Los Angeles .
Er arbeitete mit Mausmodellen für Typ 1- und Typ 2-Diabetes. Seine Versuchstiere erhielten vier Tage lang eine sogenannte fasten-imitierende Diät mit wenig Kalorien, Proteinen und Kohlenhydraten, aber einem hohen Prozentsatz an ungesättigte Fettsäuren. Andere diabetische Mäuse wurden normal ernährt. Longo berichtet von niedrigeren Blutzuckerwerten bei Nagern der Interventionsgruppe. Als Grund sieht er unter anderem die Hochregulierung von Sox17- und Ngn3-Genen. Dadurch werden Neurogenin-3-produzierende Zellen (NGN3+) aktiviert, und insulinproduzierende Beta-Zellen der in der Bauchspeicheldrüse regenerierten sich. Eine fasten-imitierende Diät aktiviert verschiedene Gene. Letztlich kommt es zur Regeneration von Beta-Zellen. © Cheng et al./Cell 2017 by EurekAlert In einer weiteren Studie berichtet Longo von Ergebnissen mit 71 Probanden. Sie erhielten entweder drei Monate lang jeweils fünf Tage pro Monat eine fasten-imitierende Diät (FMD) oder eine normale Ernährung mit anschließendem Wechsel in die Diätgruppe. Unter der FMD verringerten sich das Gewicht, der BMI, das Körperfett und der Hüftumfang. Im Blut wurden niedrigere Spiegel des insulinähnlichen Wachstumsfaktor IGF-1 gemessen. Viele Argumente sprechen für das Intervallfasten. Dem stehen aber auch kommerzielle Interessen gegenüber: Valter Longo ist an L-Nutra beteiligt – einem Unternehmen, das verschiedene Diäten anbietet. Grund genug, einen kritischen Blick auf die Daten zu werfen.
Professor Dr. Susanne Klaus. © DIfE „Die aktuelle Studie zeigt, dass in verschiedenen diabetischen Mausmodellen Zyklen einer speziellen fasten-imitierenden Diät die Regeneration von insulinproduzierenden Beta-Zellen im Pankreas stimulieren konnten, anscheinend durch eine ‚Umprogrammierung‘ von endokrinen Pankreaszellen“, erklärt Professor Dr. Susanne Klaus. Sie ist Leiterin der Arbeitsgruppe Physiologie des Energiestoffwechsels am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE), Potsdam-Rehbrücke. „Das Interessante daran ist, dass Pankreaszellen bei bereits diabetischen Mäusen noch in der Lage waren wieder insulinproduzierende Zellen zu bilden.“ Es handele sich also nicht um eine vorbeugende oder verzögernde Maßnahme. Ob bei Typ-1-Diabetikern noch Regenerationspotential vorhanden ist, kann Klaus schwer abschätzen. „Selbst wenn dem so ist, ist keinesfalls klar, ob diese Regenerationsmechanismen stärker wären als die, die den Untergang der Beta-Zellen bewirken.“ Sie erwartet, dass diese Methode bei Typ-2-Diabetikern besser wirkt. Ob und wie lange der Effekt nach Beendigung des komplizierten Diätregimes anhielte, sei fraglich. Im Nachweis der zellulären Regeneration von Beta-Zellen sieht sie zumindest einen Ansatz für neuer Therapieformen.
Professor Dr. Hans Hauner. © TUM Professor Dr. Hans Hauner, Direktor des Lehrstuhls für Ernährung, Technische Universität München, bestätigt ebenfalls, dass Fastenperioden die Regeneration von Beta-Zellen anregen. „Ansatzweise konnte dies auch auf die Humansituation übertragen werden. Allerdings steht der Beleg aus, dass eine solche Kost tatsächlich auch bei Patienten mit Typ-1 oder Typ-2-Diabetes die Beta-Zellregeneration fördert und damit den Insulinmangel substanziell beseitigen oder zumindest lindern kann.“ In diesem Zusammenhang wünscht sich Hauner eine klinische Studie bei Patienten mit Typ-1 bzw. Typ-2-Diabetes. Die Untersuchung müsste auch zeigen, ob nicht auch andere Formen einer starken Kalorienbegrenzung ähnliche Effekte zeigen. Seine Anmerkung ist berechtigt. Älteren Veröfentlichungen zufolge reagiert unser Körper mit weiteren Mechanismen, sollte Nahrung ausbleiben.
Adam J. Rose vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg fand zusammen mit Kollegen nämlich heraus, dass Nahrungsverzicht Auswirkungen auf die Transkription eines Gens hat, das für GADD45β codiert. Der durch das Fasten verursachte Stress auf Leberzellen scheint dessen Biosynthese anzukurbeln. Mäuse, denen das Gen fehlte, entwickelten leichter eine Fettleber. Gab man ihnen das Protein, so normalisierte sich der Fettgehalt der Leber, und der Zuckerstoffwechsel verbesserte sich. Eine zentrale Frage bleibt: Lassen sich die positiven Effekte von Nahrungsentzug mit Wirkstoffen nachahmen?