Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Apothekenketten werden politisch salonfähig. Die Gerichte zoffen sich, die Pharmagroßhändler scharren mit den Hufen. Wie sieht sie aus, die Zukunft der deutschen Apothekenlandschaft? Ein Symposium ging dieser Frage nach.
Nach der Reform ist vor der Reform. Der Rauch der Schlachten um die Gesundheitsreform 2007 ist kaum verzogen, da wird schon weiter gedacht. Welcher Schmetterling aus der Larve Gesundheitsfonds einst wird, dürfte wesentlich von der Zusammensetzung des nächsten Bundestags abhängen. Für weniger abhängig von der Farbe der Regierungskoalition halten viele Experten die Einführung von Apothekenketten.
Wirtschaftsweiser prognostiziert Verkettung
Im Zusammenhang mit der DocMorris-Niederlassung im Saarland ist aus dem einst rein politischen Zankapfel "Apothekenkette" eine rechtliche Auseinandersetzung geworden. Auf einer Apotheker-Veranstaltung des Pharma-Großhändlers Anzag in Franfurt am Main hat der Ökonom Professor Bert Rürup von der TU Darmstadt jetzt seine Auffassung kundgetan: Apothekenketten, so seine Botschaft, werden kommen. Rürups Meinung ist nicht ganz unrelevant, denn das Mitglied im Sachverständigenrat für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung genießt in Berlin offene Ohren. Hauptargument Rürups ist das Europarecht:
"Genau wie man den Versandhandel zugelassen hat, wird, wenn der Gesetzgeber es nicht freiwillig tut, das Europarecht Apothekenketten erzwingen. Wir sehen die Fälle bereits im Saarland. Es ist immer besser, geordnet einen Vertriebskanal einzuführen, als ihn über Gerichtsurteile einführen zu lassen."
Für Rürup ist die Frage demnach nicht mehr ob, sondern eher wann Apothekenketten kommen werden. Politisch dürfte die Frage spätestens mit der nächsten Gesundheitsreform nach der Bundestagswahl 2009 wieder auf der Agenda sein. Ob der mittlerweile beschrittene Weg durch die rechtlichen Instanzen schneller zu einer europarechtlichen Klärung des Sachverhalts führt, bleibt abzuwarten.
Mehr Apotheken und ein ruinöser Wettbewerb?
Die für den Apotheker spannende Frage lautet natürlich, wie er sich denn nun verhalten soll. Denn wenn Apothekenketten kommen, dann werden sie aller Voraussicht nach mit geballter Markt- und Marketingmacht auftreten. Außer Anbietern wie DocMorris und heimischen Drogerieketten scharren vor allem Pharmagroßhändler mit den Füßen. So hat Fritz Oesterle, der Vorstand des Pharmagroßhändlers Celesio, der in Deutschland mit der Tochterfirma Gehe auftritt, kürzlich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung eine rasche Zunahme der Apothekenzahl und einen ruinösen Wettbewerb für einzelne Betreiber vorhergesagt, wenn Apothekenketten in Deutschland erlaubt würden. Wenig zweideutig gab Oesterle zudem zu verstehen, dass Celesio auf eine solche Marktöffnung in Deutschland vorbereitet sei. Celesio betreibt unter anderem in Großbritannien und in den Niederlanden Apothekenketten. Nicht alle Pharmagroßhändler liebäugeln allerdings mit eigenen oder eng kooperierenden Apothekenketten. Anzag beispielsweise fährt eine andere Strategie und versucht, Apotheker durch Marketingmaßnahmen oder saisonale Schwerpunktangebote zu unterstützen und an sich zu binden und sie damit fit für den Wettbewerb zu machen. Apotheker können von diesem Angebot als Teil der von Anzag entwickelten Marke Vivesco Gebrauch machen, was derzeit 1300 Apotheker deutschlandweit tun. Das Angebot gilt aber auch unabhängig von Vivesco. Solche und ähnliche Programme anderer Anbieter sind zwar hilfreich. Alleine werden sie allerdings kaum ausreichen, um eine Apotheke wirklich fit für die Zukunft zu machen.
Apothekerberatung vom Chefberater
Bert Rürup, ganz Ökonom, rät in diesem Zusammenhang vor allem zu unternehmerischem Denken:
"Alleine die Tatsache, dass Apotheker Heilberufler sind, bedeutet nicht, dass sie nicht auch spezialisierte Einzelhändler sind. Zu sagen, wir sind nur das eine oder das andere, ist eine fatale Entwicklung. Man muss sich dazu bekennen, beides zu sein, dann hat man auch eine gute Perspektive."
Sogar konkrete Konzepte hatte er in Frankfurt in der Schublade. Warum, so fragte er, sollten Apotheker nicht die demographische Entwicklung als Chance für ein weites Feld unternehmerischer Aktivitäten begreifen?
"Wir sind ja eine Gesellschaft, die nicht unbedingt ärmer wird, und mit dem Älterwerden der Gesellschaft nimmt der Bedarf an Arzneimitteln und der Beratungsbedarf sicher eher zu als ab. Dass heißt die Marktchancen insgesamt sind für die Arzneimitteldistribution wahrlich nicht schlecht."
Tröstlicher Gedanke? Sicher nicht für alle. Einige der 160 Apotheker, die an dem Frankfurter Symposium teilnahmen, übten sich eher in Galgenhumor: "Fakt ist, man muss sich allen Veränderungen stellen. Und man sollte Plan B in der Tasche haben."