Weil ihnen der Einfluss der Pharmaindustrie zu weit geht, hat eine Handvoll Ärzte jetzt nach amerikanischem Vorbild eine Initiative ins Leben gerufen. "Mein Essen zahl ich selbst" setzt auf Distanz zur Industrie.
"There is no such thing as a free lunch", lautet ein bekanntes englisches Sprichwort. Der Satz könnte das Motto des am 31. Januar offiziell gegründeten Vereins Mezis sein. Tatsächlich trägt "Mezis" sein Motto schon selbst im Namen und braucht deswegen keine englischen Leitsätze. Das etwas eigenwillige Akronym steht für "Mein Essen zahl ich selbst". Ganz ohne Lunch geht es freilich auch bei Mezis nicht. "Im angloamerikanischen Raum gibt es schon seit Längerem die Initiative No Free Lunch. Die haben wir uns zum Vorbild genommen", sagt Vorstandsmitglied Dr. Eckhard Schreiber-Weber aus Bad Salzuflen.
Selbstverpflichtung zur Marketing-Abstinenz
Zu den Gründungsmitgliedern von "Mezis" zählt unter anderem der frühere Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Professor Bruno Müller-Oerlinghausen. In den nächsten Monaten soll die breite Ärzteschaft über den Verein informiert werden. "Wir haben gerade erst begonnen, aber wir registrieren schon jetzt ein relativ großes Interesse", so Schreiber-Weber im Gespräch mit dem DocCheck-Newsletter. Beigetreten ist unter anderem ein Vorstandsmitglied der KV Hessen und, keine Person im engen Sinne, die KV Bayerns als korporatives Mitglied. Doch was genau will "Mezis" erreichen? "Es geht nicht nur um die sprichwörtliche Einladung zum Essen", betont Schreiber-Weber. Ihm gehe es vielmehr darum, das Verordnungsverhalten der Ärzte am Wohle des Patienten auszurichten und nicht an den Interessen von privatwirtschaftlichen Unternehmen. Der Verzicht auf Einladungen gehört für ihn dazu, um dieses Ziel zu erreichen. Doch die "Mezis"-Mitglieder fordern mehr: Ärzte sollten keine Gratispackungen, sprich Muster, annehmen. Sie sollten am besten auch keine Außendienstmitarbeiter empfangen. Sie sollten sich vor allem nicht auf Reisen mit angeschlossener Fortbildung einladen lassen, kurz: Sie sollten über all dort Distanz wahren zur pharmazeutischen Industrie, wo diese ihre Marketingfühler hin ausstreckt oder ausstrecken könnte. Niedergelegt werden sollen diese und ähnliche Regeln in einer Selbstverpflichtungserklärung, die noch im Laufe des Frühjahrs auf der Mezis-Webseite publik gemacht werden soll. Diese Erklärung, so der Gedanke, können Ärzte, die den "Mezis"-Ideen nahe stehen, als Poster in ihr Wartezimmer hängen.
"Der Einfluss wird unterschätzt"
Ein besonderer Dorn im Auge ist Schreiber-Weber und seinen Mitstreitern die sich gerade im Zusammenhang mit der CME-Pflicht der Ärztekammern ausbildende Fortbildungslandschaft: "Das mindeste ist, dass transparent gemacht wird, wer eine Veranstaltung finanziert, und dass die Referenten transparent machen, von wem sie Geld erhalten". Zur Diskussion stellt er, ob Fortbildungspunkte auf gesponsorte Fortbildungen überhaupt zu rechtfertigen seien. An dieser Stelle freilich zeigt sich die Problematik eines kategorischen "Selbstzahler-Ansatzes". Denn was an Fortbildungen mit Industrieunterstützung angeboten wird, ist qualitativ höchst variabel. Es gibt gesponsorte Fortbildungsreihen, an denen Ärzteverbände und medizinische Fachverlage beteiligt sind und deren Fragen das Niveau von Examensfragen erreichen. Und es gibt andere, bei denen die Fragen schon so klingen, als habe der Hersteller der Präparate, um die es ging, sie sich selbst ausgedacht. Vielen Ärzten ist der "Mezis"-Ansatz der totalen Abstinenz vom Industrieeinfluss zu kategorisch. Sie weisen darauf hin, dass ja letztlich jeder wisse, wenn eine Veranstaltung gesponsort sei. Auch Referenten, die gegen vierstellige Beträge Vorträge auf gesponsorten Fortbildungsveranstaltungen halten, verwahren sich dagegen, korrumpierbar zu sein. Schreiber-Weber nimmt seinen Kollegen das auch ab. Trotzdem plädiert er für Distanz: "Der Einfluss wird unterschätzt. Viele Marketinganstrengungen zielen darauf ab, Vertrautheit und ein gutes Gefühl zu erzeugen. Und diese gute Stimmung beeinflusst das Verordnungsverhalten".
Politisch kommt "Mezis" zu einem Zeitpunkt, da auch seitens der Industrie das Thema Transparenz beim Sponsoring intensiv diskutiert wird. So hat das britische Unternehmen GlaxoSmithKline eine europaweite Aufstellung seiner Sponsoringgelder für Patientenorganisationen öffentlich gemacht. Auch Roche hat kürzlich eine Spendenübersicht für Deutschland veröffentlicht. Beiindustriefinanzierten Arzthonoraren gibt es bei vielen Unternehmenetwas weniger Offenheit. Doch auch hier kommt Bewegung in die Szene:Einige Referenten sind schon vorgeprescht und stellen ihreNebeneinkünfteerklärung offen auf ihre private Homepage. DiesesBeispiel könnte Schule machen.