Von Politikern erfunden, von Ärzten bekämpft, ein wenig abgeschwächt aber letztlich doch über uns gekommen: Mit Beginn des neuen Jahres betritt der Malus die gesundheitspolitische Bühne. Doch es gibt Mittel dagegen...
Theaterregisseure haben die Regel längst verinnerlicht. Entscheidendfür die Frage, ob eine neue Inszenierung ein Erfolg ist oder nicht, istnicht der Applaus des Publikums per se. Einzig relevant ist dieIntensität der Reaktionen. Soll heißen: Es ist besser, vehementausgebuht zu werden, als nur halbherzig beklatscht. So gesehen war derMalus schon Monate vor seiner Einführung eine gigantischeErfolgsgeschichte.
Über sieben Brücken musst du gehen. Vorerst...
Dass ein Begriff wie der Malus, der in unmittelbarer etymologischerNähe zu solch wenig erfreulichen Dingen wie Malaria oder Malignitätsteht, überhaupt ins Scheinwerferlicht rücken konnte, zeigt bereits,wie weit die Entscheider im deutschen Gesundheitswesen sich von derBasis entfernt haben. Dass er auf der Bühne blieb, und nicht sofortwieder abtreten mußte, illustriert den Abstieg der Gesundheitspolitikzum Regietheater. Für sieben Arzneigruppen ist die Malus-Regel nun alsoPraxisrealität geworden. Festgezurrt ist sie im Paragraphen 84,Absatz 7a, des V. Sozialgesetzbuchs. Sinn der Regel ist es, kurzgesagt, zu verhindern, dass natürlich hoffnungslos von Pharmawerbunginfiltrierte Ärzte innerhalb einer Substanzgruppe zu teuer verordnen.Erreicht werden soll das dadurch, dass für alle Substanzgruppen, dieunter die Malus-Regelung fallen, jeweils zum 30.September eine(üblicherweise generische) Leitsubstanz definiert wird, für diefestgelegt wird, welchen prozentualen Anteil sie im Folgejahr amgesamten Verordnungsvolumen der Substanzklasse haben sollte.Leitsubstanzen sind Simvastatin für die Statine, Omeprazol für dieProtonenpumpeninhibitoren, Bisoprolol für selektive Betablocker,Sumatriptan für die Triptane, Alendronat für die Bisphosphonate,Citalopram für die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmstoffe undTamsulosin für alpha-1-Blocker. Die sieben Substanzgruppen macheninsgesamt etwa zehn Prozent des ambulanten Verordnungsvolumens aus,woraus schon ersichtlich ist, dass die Einsparpotenziale derMalus-Regelung vorerst begrenzt sein werden. Die zweite wichtigeKenngröße der Malus-Regelung sind die Kosten für eine durchschnittlicheTagestherapie (meist als DDD abgekürzt, "defined daily dosis").Maßgeblich für die Festlegung der beiden Kenngrößen ist die"drittbeste" Kassenärztliche Vereinigung (KV). Ärzte in KV-Bezirken,die "schlechter" verordnen, müssen sich der "drittbesten" KV in ihremVerordnungsverhalten stufenweise, nämlich jährlich um ein Drittel,annähern.
Der Arzt als Leitsubstanzenverordnungsmaschine?
Soweit die kollektive Lesart der Malus-Regelung. Was aber bedeutetder Malus für den einzelnen Arzt? Der Arzt wird immer dann an dieKandare genommen, wenn er die durchschnittlichen Tagestherapiekosten ummehr als zehn Prozent überschreitet. Er zahlt dann zwanzig Prozent derDifferenz selbst, den "Malus". Liegt er mehr als zwanzig Prozent überdem für seine KV als Zielwert vorgegebenen Durchschnitt, so beträgt dieärztliche Selbstbeteiligung an der Therapie schon dreißig Prozent. Wermehr als dreißig Prozent darüber liegt, bezahlt die Hälfte derDifferenz aus eigener Tasche. So weit, so kompliziert, so klar. Nur:Wie sollte der Arzt denn nun verordnen, um zu verhindern, dass er indie Malus-Situation kommt? Von offizieller Seite, namentlich von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung,wird als Faustregel vorgegeben, in erster Linie die Leitsubstanz zuverordnen, und innerhalb des Präparatespektrums der Leitsubstanz einPräparat auszuwählen, das sich im unteren Preisdrittel bewegt. Es istrelativ klar, dass sich Ärzte mit diesem Tipp auf einigermaßen sicheremEis bewegen. Besonders befriedigen freilich dürfte er die wenigsten,denn wer will sich schon auf ein Präparat festnageln lassen, wenn eraus medizinischen Gründen lieber ein ganz anderes verordnen würde?Oder: Wer möchte schon Patienten, die gut eingestellt sind, auf eineangebliche Leitsubstanz umsetzen, nur weil er mit seinen bisherigenVerordnungen sämtliche Zielgrößen meilenweit verfehlt?
Intelligenter verordnen '07
Nun wäre Gesundheitspolitik nicht Gesundheitspolitik, wenn dieVorschrift nicht einige Hintertürchen offenlassen würde. Schließlichsteht in der Malus-Vereinbarung nicht drin, dass künftig jeder einzelneArzt, der Statine verschreibt, zu exakt 78,8 Prozent Simvastatinverschreiben muss, oder jeder, der Migränepatienten versorgt, zu exakt27,9 Prozent Sumatriptan. Das wäre ja viel zu einfach, und dieKV-Bürokraten hätten dann auch nichts mehr zu tun. Nein, für den Arztkommt es alleine darauf an, nicht um mehr als zehn Prozent von dendurchschnittlichen Tagestherapiekosten abzuweichen. Anders ausgedrückt:Hat er seine Tagestherapiekosten einigermaßen im Griff, dann kann ihmseine Leitsubstanzquote ziemlich schnuppe sein. Prinzipiell ist essogar möglich, ohne einen einzigen Patienten mit Leitsubstanz dieVorgabe für die Tagestherapiekosten einzuhalten und damit nicht insMalus-Verfahren zu rutschen. Damit das klappt, können sich Ärzte angroben Richtlinien orientieren wie jener, dass Großpackungen undbillige Generika tendenziell günstiger sind als Kleinpackungen undOriginalpräparate, weil die Tagestherapiekosten dann niedriger liegen.Wer aber keine Unwägbarkeiten eingehen will, muss schon etwas genauerhinsehen. Unterstützung leisten hierbei Verordnungshilfen wie die elektronische Transparenzliste.Sie erlaubt eine tagesaktuelle, preisliche Gegenüberstellung vonFestbetragsgruppen und Original- und Reimport-Medikamenten undermöglicht auf dieser Basis die Berechnung von Bonus-Malus-Aspekten.Insgesamt enthält die Liste Informationen zu mehr als 300.000Pharmazentralnummern. Die Ergebnisse einer Wirtschaftlichkeitsabfragewerden tabellarisch ausgegeben und ergänzt durchökonomisch-pharmazeutische Informationen zu den gelistetenArzneimitteln.