Wissenschaftler der Medizin-Universität Wien haben einen Test entwickelt, mit dem sich das Risiko von Thrombose-Patienten, eine neue Venenthrombose zu erleiden, besser einschätzen lässt. Massive Rückfälle könnten dadurch frühzeitig erkannt und im Voraus verhindert werden. Jeder dritte Thrombose-Patient würde davon profitieren.
Thrombosepatienten neigen zu Rückfällen: Etwa ein Drittel der Betroffenen mit venösen Thrombosen oder einer Thromboembolie (VTE) erleiden nach einer Antikoagulanz-Therapie innerhalb weniger Jahre wieder eine Thromboembolie. Jeder, der schon einmal eine Thrombose hatte, ist gefährdet. "Die Blutverdünnungs-Therapie für Patienten mit venösen Thromboembolien besteht aus Heparin und danach für 3 bis 6 Monate aus Vitamin K-Antagonisten. Nach Ende dieser Behandlung erleidet jedoch etwa ein Drittel innerhalb von 5 bis 8 Jahren eine erneute Thromboembolie. Für 5 Prozent endet dies tödlich", erklärt Univ.-Prof. Dr. Paul Kyrle von der Universitätsklinik für Innere Medizin am Wiener AKH das Problem. Dadurch ergibt sich die Frage, ob man nicht die Betroffenen lebenslang therapieren sollte, um lebensgefährliche Zwischenfälle zu verhindern. Das Problem ist allerdings das Blutungsrisko: 3 von 100 antikoagulierten Patienten erleiden jedes Jahr eine schwere Blutung, jeder 500ste Patient verstirbt daran.
Wer neigt zu Rückfällen und wer nicht?
Welche Patienten zu Rückfällen neigen und welche nicht, war bisher schwer einzuschätzen. Kyrle hat gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Bernd Binder, Leiter des Instituts für Gefäßbiologie und Thromboseforschung am Zentrum für Biomolekulare Medizin und Pharmakologie der Medizin-Universität Wien ein Testverfahren entwickelt, um jene Patienten zu identifizieren, die zu Rückfällen neigen: Die Wissenschaftler fanden heraus, dass ein erneutes Thromboserisiko mit der Gesamtmenge an Thrombin im Blut in Beziehung steht. "Es geht darum, dass man bei den Patienten, die an einer venösen Thromboembolie erkrankt sind, nach Beendigung der gerinnungshemmenden Therapie die Gesamtmenge an Thrombin bestimmt. Dieser Wert korreliert offenbar gut mit dem Wiederauftreten oder dem Ausbleiben einer weiteren Thromboembolie", erläutert Binder. Das neue Testverfahren wurde an 914 PatientInnen erfolgreich erprobt, die Forschungsergebnisse kürzlich im Journal of the American Medical Association (JAMA) veröffentlicht.
Risiko korreliert mit Thrombinmenge
Die genaue Vorhersage des Rückfallrisikos gelingt durch das Messen der Thrombingenerierung: Binder und Kyrle konnten zeigen, dass Thrombosepatienten, die zu neuerlichen Thrombosen neigten, nach dem Absetzen der Antikoagulationstherapie eine hoch signifikant höhere Thrombinbildungskapazität aufwiesen, als jene, die keine neuen Thrombosen hatten. Die retrospektive Studie wurde an Patienten durchgeführt, die im Rahmen der Austrian Study on Recurrent Venous Thromboembolism (AUREC-Studie) rekrutiert wurden. Der Beobachtungszeitraum betrug im Durchschnitt knapp zwei Jahre. Der Unterschied erwies sich als signifikant: Es stellte sich heraus, dass Patienten mit einer maximalen Thrombinbildungs-Kapazität (Peak-Thrombin) von mehr als 400 Nanomol (nM) mit 20 Prozent eine dreifach höhere Gefährdung für neuerliche Thrombosen hatten, während die Thrombosehäufigkeit von Patienten mit einem Peak-Thrombin von weniger als 400nM nur bei 6,5 Prozent lag. Diese Daten sind ausreichend um zusätzliche prospektive Studien unter Verwendung dieses Tests durchzuführen und um Patienten für eine Langzeit-Anticoagulation zu selektieren. In einer weiteren Studie ist die Untersuchung an gesunden Personen geplant. Diese werden im Rahmen einer breit angelegten Feldstudie prospektiv auf das Auftreten einer Erstthrombose analysiert.
Immunfluoreszenz-Test misst Gesamt-Thrombinmenge
Bei allen bisher üblichen Testverfahren wurde die Gerinnung durch die Fibrinbildung gemessen. Dabei geht es um den Zeitpunkt, an dem es nach einem auslösenden Trigger zur ersten Fibrinfadenbildung kommt. Mit dieser Methode kann man zwar gut Patienten unterscheiden, die eine verspätete Gerinnung aufweisen und zu wenig Thrombin generieren, sie unterscheidet aber nicht, welche Patienten potenziell zu viel Thrombin generieren und zu Thrombosen neigen. Mit Hilfe des neuen Verfahrens lässt sich die initiale Menge Thrombin bestimmen, die ausreicht, um Fibrin zu generieren, und jene Thrombinmenge messen, die über die gesamte Gerinnungszeit ausgebildet wird. Binder und Kyrle haben den Test gemeinsam mit einer Diagnostik-Firma entwickelt. Bei dem neuen Verfahren handelt es sich um ein Immunfluoreszenz-Testsystem. Der Test wird bereits weltweit für Forschungszwecke angewandt.