Zu viel Hunger, Fettleibigkeit? Wer seine Ernährung nicht umstellen kann oder mag soll in Zukunft dennoch dünner werden - mit Hilfe von intelligenten Implantaten. Sie versprechen die funktionellen Störungen des Verdauungssystems zu beheben.
Der Clou des jetzt auf der Medica in Düsseldorf vorgestelltenVerfahrens: Unmittelbar vor dem Mageneingang implantierte Mikrosensorenstimulieren die Magendehnungsrezeptoren, so dass bereits nach einerkleinen Mahlzeit ein Sättigungsgefühl erzeugt wird. Der VDE Verband derElektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. gibt sich daheroptimistisch und rechnet vor, dass die Kosten für chronischeErkrankungen im Gesundheitswesen durch den Einsatz der Technologie umein Drittel gesenkt würden. Die medienwirksam lancierten Nachrichtendes VDE lassen nicht nur Mediziner auf der Medica aufhorchen. Nur: Waskönnen Ärzte und Patienten wirklich davon erwarten?
Das Grundprinzip ist einfach erklärt: Bei Patienten mit erheblicherAdipositas gilt der Einsatz eines Magenbandes als Mittel der Wahl. Soist das von Lubomir I. Kuzmak im Jahr 1983 entwickelte LaparoscopicAdjustable Silicon Gastric Banding (LASGB) mittlerweile nicht nur inden USA bekannt. Die Methode erweist sich als trickreiche Variante derklassischen Adipositaschirurgie. Im Vergleich zu der herkömmlichenMethode kommt der Arzt ohne Aufschneiden, Klammern oderUmleitungsoperationen von Teilen des Magens seines Patienten aus.Zunächst wurde Kuzmaks Methode in "offener" Technik durch eineOberbauchlaparotomie eingelegt, dabei kamen so genannte AdjustableSilicon Gastric Banding (ASGB) zum Einsatz. Doch mit Beginn der 1990erJahre implantieren Chirurgen das rettende Magenband mit Hilfe derlaparoskopischer Technik, also nach dem Prinzip derSchlüssellochchirurgie.
Geniale Idee aus Amerika
Diese Operationsmethode führte schließlich zu einer rasantenVerbreitung des Laparoscopic Adjustable Silicon Gastric Banding, LASGB.Für den Vorstoß der globalen Kilo-Killer sorgte dabei die mittlerweilelegendäre kalifornische Herstellerfirma Bio Enterics Corporation. DieIdee der Amerikaner erwies sich dabei als genial. Ein aus Silikonbestehendes Band unterteilt den Magen in ein kleines, vorgeschaltetesReservoir, den so genannten Magenpouch. Aus diesem Pouch bildet dasImplantat im Restmagen einen verstellbaren Auslass (Gastrostoma). Dieeigentliche Finesse aber steckt im Inneren des Implantats: DerInnendurchmesser des Bandes lässt sich nämlich verändern. Dazu erfolgtdas Einlassen von Flüssigkeit in ein spezielles Injektionsreservoir,das auf dem Rippenbogen des Patienten liegt und durch einen Schlauchmit dem Band verbunden ist. Durch eine perkutane Punktion der Kammerkann das Gastrostoma verengt oder erweitert werden - je nachdem, wie esum die Gewichtsreduktion steht.Eine andere Variante des Verfahrens ist der Einsatz des Schwedenbandes.Im Vergleich zum Implantat der Kalifornier ist das Magenband in diesemFalle etwas breiter geschnitten und weist mit 8,5 Milliliter eingrößeres Füllvolumen auf. Das Swedish Adjustable Gastric Banding (SAGB)System wurde in erster Linie von der Schweizer Firma Obtech Medical AGvertrieben.
Doch so revolutionär die Idee des Magenbandes ursprünglich auch war -aus heutiger Sicht lässt sie sich verbessern. Dazu sollen in Zukunft"intelligente Bänder" vollkommen autonom schon während derNahrungsaufnahme erkennen, wie stark sie das Volumen des Restmagensausfüllen müssen. Diese Art der direkten Anpassung an dieNahrungsaufnahme wäre im Erfolgsfall eine Sensation. Auch dieBeeinflussung der physiologischen Abläufe im Verdauungstrakt durchFunkgesteuerte Implantate rückt in greifbare Nähe. Die von denVDE-Experten als sensorgesteuerte Stimulationsimplantate bezeichnetenDevices sollen in Zukunft den Verdauungsvorgang rhythmisieren - siewären eine Art Schrittmacher für die Adipositas-Therapie.
Innovative Ideen, verbleibende Risiken?
Allerdings haben aktive Implantate noch einen langen Weg vor sich.Vor allem im Punkto Sicherheit scheint Nachholbedarf zu bestehen, wieStatistiken des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte(BfArM), die DocCheck Newsletter vorliegen, belegen. So registriertedie Überwachungsbehörde seit dem Jahr 2000 eine zunehmende Zahl vonRisikomeldungen: von 364 problematischen Fällen im Jahr 2000 stiegendie jährlichen Fallzahlen kontinuierlich auf 648 Risikomeldungen imJahr 2005 an. Allerdings liegen die Werte keinesfalls im Bereich dernie da gewesenen Risiken - auch Transfusionen, Injektionen, Infusionenund Dialysen sind, gemessen an der Zahl der gemeldeten Risikofälle, bisdato nicht minder problematisch.Für Menschen mit schwerer Adipositas oder gravierenden Essstörungenwären aktiven Implantate trotz solcher Klippen auf Dauer vermutlicheine ernsthafte Alternative - vor allem zu den teils abstrusen Methodender Vergangenheit. So verschloss ein Zahnarzt seinen Kunden für rund3000 Euro Behandlungskosten den Mund mit Nylonfäden. Lediglich derverbleibende, einige Millimeter breite Spalt ermöglichte seinenPatienten nach der Operation die Nahrungsaufnahme - über einenStrohhalm.