Alpaka Annabel hat neue Fans. Deutsche Forscher haben sich in sie verliebt, denn Annabel steuerte Wesentliches zur Entwicklung kleinster Nanosonden bei. Dank ihrer speziellen Antikörper konnten die Forscher so genannte Chromobodies herstellen, die, in lebende Zellen eingesetzt, völlig neuen Aufschluss über Antigene bringen.
Chromobodies für leuchtende Nanosonden
In der biomedizinischen Forschung werden Nanosonden bzw. Antikörper eingesetzt, um die chemischen Aktivitäten in Zellen zu beobachten. Dabei interessieren heute zunehmend mehr die dynamischen Prozesse der Proteine, d.h. wie sie sich bewegen und dabei verändert werden. Dazu braucht man lebende Zellen. Grundsätzliches Ziel der Biomedizin ist, die molekularen und zellbiologischen Grundlagen des Lebens und seiner krankhaften Veränderungen zu erforschen, um Diagnostik und Therapie, z. B. von Tumoren, zu verbessern. Mit dieser Zielsetzung ist auch eine Forschungsgruppe am Biozentrum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), München, angetreten. Das Team um Professor Dr. Heinrich Leonhardt und Dr. Ulrich Rothbauer ist seit gut fünf Jahren mit der Entwicklung von Antikörpern zum Nachweis von Antigenen beschäftigt. Annabel hat ihnen nun zu einem "revolutionärem" Durchbruch verholfen. Mit ein wenig Blut des Alpaka gelang es, Antikörper herzustellen, die mit fluoreszierenden Proteinen zu extrem kleinen "Chromobodies" fusionieren. Mit diesen leuchtenden Nanosonden ist es erstmals möglich, in lebenden Zellen Antigene und ihre Dynamik nachzuweisen.
Antikörper im Kampf gegen alles Fremde
Antigene, vom englischen Begriff Antibody generating abgeleitet, sind Fremdstoffe, die die Bildung von Antikörpern zur Abwehr provozieren. Die Kampfansage ist nicht nur auf Krankheitserreger wie beispielsweise Bakterien, Viren oder Pilze gerichtet. Als Feind gilt, was fremd ist und dagegen werden Antikörper gebildet, die spezifisch, d.h. an die spezielle Stelle des Antigens binden. Die Stelle des Antigens, die von dem entsprechenden Molekül erkannt wird, heißt Epitop. Da es allein Millionen verschiedener Krankheitserreger gibt, kann man sich leicht vorstellen, welche astronomische Vielfalt es an Antikörpern gibt. Für die Wissenschaft ist das wahrlich eine immense Herausforderung.
Antikörper vom Kaninchen zu groß
Bisher wurden nicht nur an der LMU fluoreszierende Antikörper in Kaninchen, Mäusen, Ratten, Ziegen oder Schafen erzeugt. Die Methode ist aufwändig und für die Tiere ein Martyrium. Laut Fachjargon werden sie final entblutet. Zahlreiche Eiweiße werden produziert, um die passende biomolekulare Struktur zu finden. Denn für die Forscher ist nur passend, was an das Antigen bindet. Zum Nachweis bedient sich die Wissenschaft seit vielen Jahren so genannter Farbmarker, die an das Molekül sozusagen angedockt werden. Die konventionell erstellten Antikörper haben allerdings einen relevanten Nachteil. Sie sind zu groß für lebende Zellen. D.h., dynamische Prozesse liessen sich bis dato mit dieser Methode nicht darstellen.
Milliarden "Chromobodies" im Gefrierschrank
Annabel hat es den Münchner Forschern leichter gemacht, weil sie etws hat, womit Kaninchen, Mäuse, etc. nicht dienen können. Und das sind einzelkettige Antikörper, die wesentlich kleiner sind. Das Alpaka, das übrigens an der LMU glücklich und unversehrt lebt, mußte sich lediglich etwas Blut abnehmen lassen. Da der antigenbindende Teil des Moleküls ausreicht, ist das Ergebnis insgesamt zehnmal kleiner als ein konventionell erstellter Antikörper. Die so entstandenen Nanobodies werden durch Fusion mit fluoreszierenden Proteinen dann zu "Chromobodies". "Dank ihrer geringen Größe und Ihrer Stabilität können die Chromobodies in lebenden Zellen eingesetzt werden. Diese leuchtenden Designermoleküle können von den Zellen selbst produziert werden, heften sich dort an die entsprechenden Antigene und verfolgen deren Weg und Schicksal", erklärt Professor Leonhardt. Für ihn ist die neue Technologie eine vielversprechende Alternative, mit der die Antikörpervielfalt in künstlichen, molekularen Bibliotheken, sprich Reagenzglas, nachvollzogen werden kann. Inzwischen sind bereits Milliarden der Chromobodies im Münchner Gefrierschrank zwischengelagert.