Ein neues Therapieverfahren revolutioniert die bisherigen Behandlungsmethoden der Harninkontinenz: Urologen gehen nun mit Muskelzellen der Patienten erfolgreich gegen die Erkrankung vor.
Weltweit leiden rund 200 Millionen Menschen an einer Harninkontinenz,rund 30 Prozent von ihnen sind über 60 Jahre alt. In Österreich sindungefähr 800.000 Menschen von der Erkrankung betroffen. Vor dreieinhalbJahren sorgt die Universitätsklinik für Urologie in Innsbruck mit einem neuen Therapieverfahren erstmals für Aufsehen, nun sind dieersten Langzeitstudien abgeschlossen. Die Ergebnisse sind sensationell:Die Stammzellentherapie zeigt nachhaltigen Erfolg. Sie ist zwar nichtfür jede Form der Harn-Inkontinenz geeignet, Patienten, die an einer stressbedingten Harninkontinenz leiden, lassen sich mit der neuen Zelltherapie aber heilen.
Einfacher Eingriff, statt großer Operationen
Im Gegensatz zuherkömmliche Behandlungsmethoden erfolgt die Stammzellentherapie ohneaufwändige Operation und ohne Nebenwirkungen. Während bisherFüllstoffe, künstliche Schließmuskel oder Suspensiosoperationennotwendig waren, entnimmt der Innsbrucker Urologe Univ.-Prof. Dr. Hannes Strasserseinen Patienten in einem unkomplizierten Eingriff Muskelgewebe aus demOberarm. Dafür ist nur eine Lokalanästhesie notwendig. Diepatienteneigenen Muskelzellen kommen zur Kultivierung ins Labor. Ausder Biopsiewerden Muskelzellen (Myoblasten) und Bindegewebszellen (Fibroblasten)isoliert und vermehrt. Mit Hilfe eines speziellen Injektionsgerätsbringt der Urolgoe die Myoblasten transurethral unter sonografischerKontrolle in die Harnröhre und in den quergestreiften Schließmuskel derBlaseein. Die körpereigenen Muskelzellen erhöhen seine Masse und verbesserndamit die Schließmuskelfunktion. Ausßerdem wirken die Myoblasten alsMuntermacher und stärken die Arbeitsfähigkeit des geschwächtenRhabdosphinkters. Zusätzlich unterspritzt Strasser dieHarnröhren-Schleimhaut mit einem Bindegewebe-Gemisch, wodurch diesebesser abgedichtet wird.
Die Erfolgsraten und Ergebnisse sind überzeugend
DerTherapieerfolg der neuen Behandlungsmethode spricht für sich: Von 270behandelten Patienten mit Stressinkontinenz konnten 91 Prozent derPatientinnen geheilt werden, bei Männern liegt die Erfolgsrate bei 73Prozent. Unerwünschte Wirkungen durch die implantierten Zellen sindbisher nicht aufgetreten, auch keine Schmerzen, keine Drangbeschwerdenund keine Harnretention Dass die Zahl bei den Männern niedriger ist,liegt daran, dass die Behandlung wegen ihrer anatomischen Situationschwieriger durchzuführen ist, als bei Frauen. Zudem sind Männer, diean Harninkontinenz leiden, oft bereits wegen anderer urologischerErkrankungen operiert worden. Die Prostataist ein häufiges Beispiel. Damit die körpereigenen Zellen optimal zumEinsatz kommen und ihren maximalen Wirkungsgrad erreichen, dürfen keinestarken Schädigungen oder Vernarbungen am Schließmuskel und an derHarnröhre vorliegen.
Das Tiroler Beispiel hat Schule gemacht
Diese Ergebnisse sindumso beachtlicher, wenn man bedenkt, dass die Stammzellforschung erstin den Kinderschuhen steckt. Der Eingiff ist deshalb so gutverträglich,weil er minimal-invasiv ist und kein körperfremdes Materialverwendet wird. Er kann bis ins hohe Alter durchgeführt werden. Dieneue Therapiemöglichkeit hat dem Urologen Strasser nicht nur zahlreicheForschungspreise, wie den Jack Lapides Contest Grand Price 2004, denSecond Grand Price 2006 der Jack Lapides Gesellschaft und denMaximilian-Nitze-Preis 2005 eingebracht, zahlreiche Kliniken inÖsterreich, Deutschland, den Niederlanden, Schweden, der Schweiz undItalien haben die weltweit neuartige Stammzelltherapie beiHarninkontinenz bereits übernommen.