Eine Arm-Manschette soll Migräne-Patienten mittels Elektrostimulationen genauso gut helfen wie Triptane – und das ohne Nebenwirkungen. Doch die hochkarätig veröffentlichte Studie enttäuscht mit schwachem Studiendesign und wirtschaftlichen Verstrickungen.
Migräne fährt das Leben der Betroffenen in regelmäßigen Abständen auf „Null“ herunter. Viele überstehen die Attacken nur bei absoluter Ruhe in einem abgedunkelten Raum unter schier unerträglichen Kopfschmerzen, häufig gepaart mit Übelkeit bis hin zum Erbrechen. Da scheinen die aktuellen Studienergebnisse, hochkarätig in Neurology veröffentlicht, wie ein Geschenk des Himmels: Eine einfache Arm-Manschette, unauffällig zu tragen, eine ansehliche Erfolgsquote, null Nebenwirkungen. Doch bei genauerer Betrachtung wirft die Studie einige Fragen und Defizite auf. Sie überzeugt weder vom Design, noch sind die Daten offenbar unabhängig entstanden. Elektrostimulationen zur Vorbeugung oder Linderung von Migräne-Attacken werden bereits seit einigen Jahren an Patienten erprobt. Die Erfolge können sich sehen lassen und stehen den Erfolgsquoten medikamentöser Behandlungen meist nicht nach. Doch bisher sprach diese Therapieform lediglich Patienten an, bei denen Medikamente nicht (mehr) wirken. Der Haken dabei: Die Patienten mussten zur Elektrostimulation recht alltagsuntauglich verkabelt werden.
In Neurology berichten Wissenschaftler von einem Elektrostimulationspad, das ohne weitere Verkabelung am Arm getragen werden und per Handy App gesteuert werden kann. Migräne-Kopfschmerzen sollen damit genauso gut gelindert werden wie mit Triptanen – aber ganz ohne Nebenwirkungen. „Die Ergebnisse müssen durch zusätzliche Studie erst noch überprüft werden, aber sie sind sehr erfreulich“, so Studienleiter David Yarnitsky von der Technion Faculty of Medicine in Haifa, Israel. Studienteilnehmerin mit Test-Arm-Manschette. Credit: Theranica.
Das neue Gerät testeten die Wissenschaftler um Yarnitsky an 71 Patienten, die unter 2 bis 8 Migräne-Attacken pro Monat litten. Keiner der Teilnehmer hatte in den letzten 2 Monaten vor Studienbeginn vorbeugende Migräne-Medikamente eingenommen. Die Teilnehmer waren dazu angehalten, die Arm-Manschette kurz nach dem Aufkeimen einer Migräne-Attacke an ihrem Oberarm zu befestigen und sie 20 Minuten lang zu benutzen. Ab diesem Zeitpunkt mussten die Studienteilnehmer für 2 Stunden auf die zusätzliche Einnahme von Migräne-Medikamenten verzichten. Die Geräte waren so programmiert, dass sie nach dem Zufallsprinzip entweder eine Stimulation vortäuschten oder eine von 4 verschieden starken Elektrostimulationen aussendeten. In keinem Fall war die Stimulation mit einem Schmerzempfinden verbunden. Während des Studienverlaufs kamen die Geräte bei insgesamt 299 Migräne-Anfällen zum Einsatz. Das Ergebnis: In der Gruppe der aktiven Stimulationen berichteten 64 Prozent der Patienten 2 Stunden nach der Behandlung von einer Schmerzreduktion um mindestens 50 Prozent. Bei diesen Patienten waren von 4 verschieden starken Elektrostimulationen Stufe 2, 3 oder 4 im Einsatz gewesen. In der Gruppe der vorgetäuschten Elektrostimulationen berichteten lediglich 24 Prozent der Patienten von einem solchen Ergebnis.
„Diesen Effekt können wir beim Einsatz unserer Arm-Manschette ausschließen“, so Ironi und weiter: „In einer 9-monatigen Studie unter Leitung von Prof. Yarnitsky haben wir überprüft, ob die Arm-Manschette im Laufe der Zeit und bei häufiger Anwendung an Effektivität einbüßt. Die Wirkung war in der ersten Woche der Anwendung genauso gut wie in der letzten.“
Wer an diesem Punkt geneigt ist, den Firmennamen zu googlen und sich für wenige Dollar von der Bürde Migräne zu befreien, sollte einen Blick auf die Schwachpunkt der Studie werfen.
Vetternwirtschaft? Der größte Schwachpunkt der Studie ist jedoch, dass sie vom Hersteller der Elektro-Stimulations-Armbänder finanziert wurde. Studienleiter D. Yarnitsky gehört nicht nur zum „Medical Advisory Board“ von Theranica Ltd., er ist sogar am Gewinn der Firma beteiligt. In den Befangenheitsangaben von Neurology räumt er ein, Aktienanteile von weniger als 5 Prozent der Firma zu besitzen. 2 weitere der insgesamt 7 Studienautoren arbeiten für Theranica und sind ebenfalls am Gewinn der Firma beteiligt. So vielversprechend die Ergebnisse auch klingen mögen, wirklich unabhängig sind sie mutmaßlich nicht entstanden. Ob die Hoffnung vieler Migräne-Patienten, ein wirksames, immer einsetzbares Mittel gegen die quälenden Kopfschmerzen ohne Nebenwirkungen an die Hand zu bekommen, auch außerhalb der gesponsorten Studie erfüllt wird, bleibt abzuwarten.
Yarnitsky, D. et al. Nonpainful remote electrical stimulation alleviates episodic migraine pain. Neurology. 2017 Mar 1. pii: 10.1212/WNL.0000000000003760.