Von der medizinischen Unterversorgung in England profitieren insbesondere private Reproduktions-Anbieter bereits heute mit zweistelligen Honorarmillionen. Aber sie wollen mehr. Der medizinische Fortschritt bei der Embryonenforschung lockt und sucht nach neuen Anwendungen. Könnte es beispielsweise das wunschgemäß designte Baby sein?
Eltern wollen "Designer-Babies"
Vor diesem Hintergrund kommt eine kürzlich präsentierte Studie gerade zum richtigen Zeitpunkt. Eines der Ergebnisse war, dass britische Paare den IQ ihre Kindes genetisch "upgraden" lassen würden, wenn sie die Möglichkeit hätten. Die Umfrage war in ihrer Art erstmalig in Großbritannien durchgeführt wurden. Das Ziel war, die Einstellung zu "Designer-Babies" resp. zur Reproduktionstechnologie quer durch alle sozialen Schichten zu erforschen. Dr. Simon Hampton, Psychologe und Leiter der Studie, stellte die Ergebnisse auf dem BA Festival of Science in Norwich vor. Seine Zusammenfassung zeigt, dass in England der Wunsch nach "Designer-Babies" stark vorhanden ist. Weiterhin: Sowohl Männer als auch Frauen akzeptieren genetische Eingriffe zu medizinischen Zwecken.
Bildung stärkt Vertrauen in Designermedizin
How would you design your baby? Die Antworten fielen je nach Alter, Geschlecht und sozioökonomischer Klasse unterschiedlich aus. Als wichtigste Resultate der Studie nennt die University of East Anglia: Je höher der Bildungsstand, desto größer ist die Bereitschaft zu designten Babies. Frauen sehen in der Genmanipulation häufiger einen "Designer"-Akt als Männer. Väter legen mehr Wert darauf, dass ihre Kinder die eigenen Charaktereigenschaften erben - schon aus Unsicherheit über die Vaterschaft. Bei den wünschenswerten Eigenschaften wird nach dem Geschlecht des Kindes unterschieden. Ältere und kinderlose Frauen sind eher bereit, physische, soziale und intellektuelle Merkmale "verbessern" zu lassen.
Design per Embryonenselektion auf dem Prüfstand
Der Begriff des "Designer-Babies" stammt aus den USA. Dort hatte im Jahr 2000 das erste Retortenbaby als Stammzellenspender für erhebliches Aufsehen in den Medien gesorgt. Mit dem Nabelschnurblut des Neugeborenen Adam Nash konnte seine Schwester Molly, die an einer Fanconi-Anämie erkrankt war, geheilt werden. Die gezielte genetische Embryonen-Auslese, in der Medizin als Präimplantationsdiagnostik (PID) bezeichnet, machte es nach einer künstlichen Befruchtung möglich. Wenig später wurde dann in England das erste "Designer-Baby" als Zellspender geboren. Da die Rechtslage zu diesem Zeitpunkt noch ungeklärt war, erfolgten die In-vitro-Fertilisation und die PID in Chicago. Die britische Aufsichtsbehörde für Reproduktionsmedizin, die Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA), akzeptierte zu diesem Zeitpunkt eine Embryonenselektion ausschließlich, um die Geburt von genetisch kranken Babies, beispielsweise mit Down-Syndrom, zu verhindern. Mit der Zulassung, Stammzellen für kranke Geschwister zu gewinnen, tat sich die Behörde dagegen schwer. Wie sie beim Wunsch nach "Designer-Babies" entscheiden wird, ist bis heute unklar.
Behörde fördert Standort für Biotechnologie
Inzwischen wurden nach sorgfältiger Prüfung eine Reihe von Anträgen zur Stammzellengewinnung für kranke Kinder von der HFEA genehmigt. Die Behörde genießt in der Bevölkerung großes Vertrauen - der Grund, weshalb 70 Prozent der Briten die Forschung mit embryonalen Stammzellen befürworten. Damit erklärt sich auch die hohe Akzeptanz der "Wunsch-Babies" im United Kingdom. Die HFEA selbst weist immer wieder mit Stolz darauf hin, dass sie entscheidend dazu beigetragen hat, dass sich Großbritannien zum weltweit führenden Standort der Biotechnologie entwickelt hat. Aufgaben, die in Deutschland von mehreren Gremien wahrgenommen werden, vereint sie im Zentrum Londons unter einem Dach. Sie vergibt an Kliniken die Genehmigung für künstliche Befruchtungen und an Wissenschaftler die Lizenz, mit Embryonen zu forschen. Und sie kontrolliert und überwacht alle Forscher und Mediziner. Von jeder Klinik werden beispielsweise die Erfolgsraten der künstlichen Befruchtung in das Internet gestellt - quasi als Verbraucherschutz-Service.
"Baby-Millionäre" investieren in medizinischen Fortschritt
Einer der bekanntesten Reproduktionsmediziner in Großbritannien ist Dr. Mohamed Taranissi, ein gebürtiger Ägypter. Er gilt als einer der ganz großen Verfechter von "Designer-Babies". Die ersten Erfolge gehen auf sein Konto. Inzwischen zählt er zu den Top-Baby-Millionären der Insel, wie in einem Beitrag im Independent zu lesen war. Danach verdienen in Großbritannien "Fruchtbarkeits-Doktoren" heute mehr Geld als die Kollegen der Schönheitschirurgie. Grund: Der National Health Service (NHS) bietet bei Sterilität eine aus Sicht der Betroffenen unzureichende Versorgung an, so dass bei extremem Kinderwunsch nur eine Privatbehandlung übrig bleibt. Und das kann teuer werden und so weit führen, dass Patienten ihre Häuser beleihen müssen. Für das Geschäft mit der Verzweiflung macht der Independent den NHS, aber auch die Baby-Millionäre verantwortlich. Aber die verteidigen sich vehement. Ihre Honorare halten sie für angemessen, von Profitgier sei keine Rede, denn der Gewinn werde in die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden gesteckt. Tatsache ist, dass Mohamed Tarassini, bekannt als Workaholic, bescheiden lebt und keine aufwändigen Hobbies hat. Trotzdem stellt sich die Frage, ob die Designer-Baby-Studie nicht doch von den Reproduktions-Millionären finanziert wurde mit der Absicht, z. B. die HFEA in ihrem Sinne zu beeinflussen.