Wieder einmal dürfen Patienten mit altersabhängiger Makuladegeneration hoffen. Nach den Genom-Mechanikern melden sich jetzt die Zelltherapeuten mit einer potenziellen Wunderwaffe. Auf der "größten Baustelle der Ophthalmologie" wird weiter geackert.
Wohl keine andere ophthalmologische Erkrankung wird mit so viel Verve beforscht und so häufig mit neuen Therapiekonzepten angegangen wie die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) . Die häufigste Ursache von Blindheit in den Industrienationen hängt wie ein Damoklesschwert über der alternden Gesellschaft.
Die Gen-Mechaniker sind kleinlaut geworden
"Jeder vierte Mensch über 64 hat Anzeichen für eine altersabhängige Makuladegeneration", sagt Professor Alan Kingsman aus Oxford. Der Molekularbiologe und Chef des Unternehmens Oxford BioMedica ist einer derer, die den Kampf gegen die AMD schon länger zu einem Kreuzzug stilisieren. Schon vor Jahren hat er das Ende der "Seuche AMD" beschworen. Helfen sollte das von ihm und seinen Mitarbeitern entwickelte RetinoStat®-System. Es handelt sich um eine Gentherapie-Strategie, die auf Basis von Lentivektoren die beiden antiangiogenetischen Gene Endostatin und Angiostatin ins Auge bringen soll, um dort bei der feuchten Form der AMD die Gefäßproliferation zu hemmen. Doch die ursprünglich für 2004 anvisierten klinischen Studien verzögern sich. Immerhin gibt es Erfolge in präklinischen AMD-Modellen. Das Jahr 2007 wird jetzt als möglicher Termin für den Beginn einer klinischen Studie genannt. Andere Gentherapeuten sind schon etwas weiter, aber von einem Durchbruch wagt im Moment kaum mehr jemand zu sprechen. Hinzu kommt, dass antiangiogenetische Therapien bei AMD längst keiner Gene mehr bedürfen. Lokale Injektionen von verschiedenen Angiogenesehemmstoffen gehören mittlerweile zum therapeutischen Arsenal vieler AMD-Spezialisten. Breite Begeisterung allerdings stellt sich hier auch nicht ein, unter anderem weil die Injektionen ins Auge sehr häufig und über Jahre hinweg erforderlich sind, was nicht so furchtbar angenehm ist.
Regenerative Therapien machen umso lauter von sich reden
Zeit für einen neuen Versuch also. Ärzte der Universität Köln haben sich daran gewagt. Sie setzen auf Gewebe, statt auf Gene. Über erste Ergebnisse berichteten sie kürzlich im American Journal of Ophthalmology. Die Methode ist vergleichsweise nahe liegend: Nach der Entfernung schon bestehender Gefäßproliferate wird in der Peripherie des Auges ein Stück Netzhaut mit darunter liegender Choroidea heraus geschnitten. Es wird an dieser Stelle nicht unbedingt benötigt, deswegen fällt das dem Betreffenden nicht weiter auf. Dieses Transplantat wird dann bei demselben Patienten im Bereich der Makula, also dem bei der AMD vor allem geschädigten Bereich des schärfsten Sehens, wieder unter die Retina implantiert. Bei insgesamt 43 Patienten konnten die Kölner zeigen, dass diese autologe Transplantation in aller Regel zu einem funktionierenden Transplantat führt. Es wächst ein und wird vom umliegenden Gewebe dann auch mit den überlebenswichtigen Blutgefäßen versorgt.
Im Zweifel: Cholesterin senken?
Doch damit nicht genug: Bei einem Teil der Patienten kam es durch den Eingriff sogar zu einer Verbesserung des Visus: "Zum Teil konnten die Patienten nach der Operation sogar wieder fixieren", sagte Dr. Matthias Huber, Ophthalmologe am Institut für Klinische Pharmakologie der Charité Berlin. Zumindest bei einigen verbesserte sich die visuelle Performance an Buchstabentafeln stark. Bei einer Erkrankung, wo der Therapieerfolg sonst vor allem danach gemessen wird, wie lange sich Verschlechterungen hinauszögern lassen, ist das schon einiges. Ob sich das Verfahren noch optimieren lässt und die Erfolge reproduzierbar sind, müssen jetzt weitere Untersuchungen zeigen.
Wer gar nicht erst in die Situation kommen möchte, eine AMD therapieren zu müssen, der sollte auf eine adäquate Einstellung der kardiovaskulären Risikofaktoren achten, sagte Huber auf dem Deutschen Ärztekongreß in Berlin. Denn: "Das Auftreten der AMD korreliert stark mit den auch für kardiovaskuläre Erkrankungen relevanten Risikofaktoren Alter, Rauchen, Bluthochdruck und Hypercholesterinämie". Einen kleinen Schönheitsfehler gibt es aber auch hier: In prospektiven Studien sei bisher nicht untersucht worden, ob sich die Inzidenz der AMD wirklich verringern läßt, wenn Blutdruck und Cholesterinwert gut eingestellt sind. Arbeitsbedarf an allen Ecken und Enden also. Auf der "größten Baustelle der Ophthalmologie" (Huber) dauert es noch eine Weile bis zum Richtfest.