Für viele Apotheken brachte das Jahr 2006 deutliche Umsatzrückgänge, wir eine Studie von Insight Healt attestiert. Jetzt setzen die Freiberufler mit einer findigen Doppelstrategie zum Ausweg aus der Krise an: große online-Apotheken wie Doc Morris werden mit juristischen Mitteln in Schach gehalten - der eigene Web-Auftritt indes wird aufpoliert.
Von einer Branchenkrise zu sprechen wäre vollkommen unangebracht, unddoch: Deutschlands Apotheker stehen unruhige Zeiten bevor. In denersten sechs Monaten 2006 stieg der Umsatz auf dem deutschenApothekenmarkt gegenüber dem Vergleichszeitraum des letzten Jahres umgut 3,5 Prozent auf etwas über elf Mrd. EUR zu Herstellerabgabepreisen.Gleichzeitig aber ging die Menge der abgegebenen Packungen um fast 2,2Prozent zurück. Von Januar bis März war der Umsatz gegenüber dem erstenQuartal 2005 noch um gut 9,1 Prozent gestiegen. Von April biseinschließlich Juni ist dagegen sogar ein Umsatzrückgang von mehr als1,8 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vorjahresquartal zuverzeichnen. Zahlen wie diese, die aus aktuellem Material von INSIGHTHealth hervorgehen, verdeutlichen das Dilemma der deutschen Apotheken:gesetzliche Regelungen wie das GMG des Jahres 2004 oder die AVWG 2006schlagen sich unmittelbar auf die Umsätze aus. Der Kunde ist Patient -und der zahlt eben nur ungern drauf.
DocMorris macht Druck
Als ob die hausgemachten Probleme nicht ausreichten, drohtweiteres Ungemach. Der aggressive Expansionskurs der wenigenetablierten online-Apotheken setzt die Preise weiter unter Druck. Soboomt das Geschäft der niederländischen Versandapotheke DocMorris nahezu filmreif: Allein in den Sommermonaten Juni, Juli und August hatsich der Umsatz im Vergleich zu den drei Vormonaten um 30 Prozenterhöht. Und in den letzten drei Monaten wurden 20 Prozent mehrBestellungen per Post, 30 Prozent mehr per Telefon und 50 Prozent mehrAufträge über das Internet registriert. Für DocMorris-Gründer RalfDäinghaus eine klare Sache: "Es brummt. Auch im laufenden Monat läuftdas Geschäft glänzend."
Aus Sicht der Kunden liegen die Vorteile auf der Hand. BeiDocMorris, immerhin Europas größte Versandapotheke, erhaltenKassenpatienten bei rezeptpflichtigen Medikamenten einen Sofort-Rabattin Höhe der halben Zuzahlung, Privatpatienten bekommen einen pauschalenBonus von drei Euro, Zuzahlungsbefreite sogar bis zu fünf Euro fürjedes rezeptpflichtige Medikament. Geld gibt es auch fürzuzahlungfreie, rezeptpflichtige Generika - der Sonderbonus machtimmerhin 2,50 Euro aus. Zudem sind rezeptfreie Arzneimittel bis zu 30Prozent günstiger als in anderen Apotheken. Und: der online-Gigantverfügt über ein Vollsortiment, das dem einer normalen Vor-Ort-Apothekeentspricht. Selbst das Argument der Arbeitsplatzsicherung entkräftendie Niederländer trickreich: "Deutsche Kunden erhalten ausschließlichdeutsche Originalpräparate". Nationale Parolen für den deutschenKundenfang?
Die Heimat hört die Signale - und schlägt wie in jedem Fußballklassikergegen die Niederländer auch im Kampf um die Apotheken zurück.Ausgerechnet die von Giganten à la DocMorris belächeltenvor-Ort-Apotheken punkten, indem sie juristisch zu Felde ziehen - undganz nebenbei eigene online-Angebote aufbauen.
Erster Punktesieg
Einen ersten Punktsieg gab es für die vor-Ortler in Saarbrücken zuvermelden. Dort kam es Anfang des Monats zur Schließung der erstenstationären Niederlassung von DocMorris. Drei private Apotheker hattenbeimVerwaltungsgericht Saarlouis geklagt. Nun muss die DocMorris-ApothekeinSaarbrücken geschlossen bleiben, bis das Oberverwaltungsgericht überdie Beschwerde von DocMorris entschieden hat.
Die eigentliche Rückeroberung des Patienten findet aber imInternet statt. Wer beispielsweise bei Google den Suchbegriff "LöwenApotheke " eingibt, der zu den häufigsten Namen der vor-Ortler gehört,wird staunen: 597.000 Einträge, weitaus mehr als die Zahl der Apothekenin Deutschland überhaupt. Aber ein Indiz, dass nicht nur die "Löwen"mittlerweile gut zurückbrüllen können.
Die meisten Auftritte überzeugen
Gute Infos, Tipps und Tricksfür die Patienten und meist auch noch kostenlose Hotlines, unter denenPatienten "ihren" Apotheker vor Ort erreichen können. Dass dieMedikamente kostenlos angeliefert werden, gehört bei vielenvor-Ort-Apotheken zum Service. Und bestellen kann man auch online -aber eben beim Apotheker um die Ecke.
Einzig beim Preis besteht noch Nachholbedarf. Noch sindAnbieter wie DocMorris in vielen Segmenten tatsächlich die günstigereAlternative. Aber auch da hilft ein kleiner Trick: Selbts wenn esniemand in der Apotheke offen zugeben wird - es darf ein klein bischenum den Preis "verhandelt" werden. Ein Hinweis auf die Konkurrenz ausden Niederlanden bewirkt dabei wahre Wunder.