Was kann der kleine Hausarzt gegen den großen Klimawandel tun? Eine ganze Menge! Erfahrt hier, wie ihr Klimaschutz in eure Sprechstunde bringt und warum das wichtig ist.
Transkript des Interviews mit Müller zum Thema: Planetary Health: Klimaschutz in der Sprechstunde? Es handelt es sich um eine 1:1-Abschrift des Gesprochenen im Video.
Prof. Beate Müller: Das Thema Klimawandel ist ja nicht mehr wegzubekommen. Wir wissen alle, wie der Klimawandel läuft und es wird schlimmer. Und wenn man da hinguckt auf die Prognosen, dann kann man auch durchaus mal verzweifeln oder ängstlich werden und deprimiert sein. Um dieser Angst etwas entgegenzusetzen, hilft es mir selber auch, aktiv zu werden. Das ist auch ein Grund, warum ich mich dafür so einsetze – um einfach meine eigene mentale Gesundheit zu erhalten und zu fördern.
DocCheck: Frau Professor Müller, Sie forschen an der Uniklinik Köln zum Thema Planetary Health. Wie sieht das denn im medizinischen Zusammenhang bei Ihnen konkret aus?
Müller: Ja, also den Begriff Planetary Health, also planetare Gesundheit, kann man im Grunde runterbrechen auf die Formel „Gesunde Menschen gibt es nur auf einem gesunden Planeten“. Das heißt, wenn es darum geht, die Eisbären in der Arktis zu schützen oder den Plastikmüll in Bangladesch zu reduzieren, dann geht es eben nicht nur um die Faktoren dort vor Ort, sondern es geht immer um die ganze Gesundheit des Planeten und die ist eben immer verknüpft mit unserer eigenen Gesundheit.
DocCheck: Was versprechen Sie sich denn jetzt aus Forschungsperspektive von dem Projekt? Und was setzen Sie da in der Klinik jetzt konkret um?
Müller: In Köln leite ich das Institut für Allgemeinmedizin und dort ist das Schwerpunktthema des Instituts die Rolle der Hausarztpraxis im Klimawandel. Das heißt, wir beschäftigen uns in der Lehre und in der Forschung und auch in der Patientenversorgung mit dem Thema gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels. Das betrifft dann natürlich ganz viele Bereiche. Also in der Lehre zum Beispiel geben wir den Studierenden mit, was überhaupt die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Gesundheit sind.
Zum Beispiel, dass es bei Hitze zu einer Übersterblichkeit kommt, dass die Luftverschmutzung sich natürlich auswirkt auf Erkrankungen der Lunge, dass Allergien zunehmen durch den Klimawandel, dass es mehr Zecken gibt, die FSME übertragen. Solche Dinge, also das sind so ganz konkrete Sachen, die wir in der Lehre mitgeben. Oder aber auch: Wie kann ich einen Medikationsplan anpassen, wenn ich weiß, jetzt ist es Juni und die nächste Hitzewelle kommt? Worauf muss ich da achten? Wie muss ich die Patientinnen und Patienten beraten? Also das sind so die Dinge, die wir in der Lehre umsetzen.
In der Forschung ist es so: Dadurch, dass das Institut jetzt relativ neu ist, haben wir noch keine großen Forschungsprojekte, sondern wir machen erste Schritte. Wir forschen zu klimasensibler Gesundheitsberatung und auch zum Thema: Was wissen die Menschen denn schon über die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Gesundheit? Das sind jetzt erste Schritte – und dann haben wir weitere Forschungsprojekte beantragt und hoffen natürlich, dass wir da jetzt auch bald größer loslegen können.
DocCheck: Bei Ihnen in der Klinik, spiegelt sich das Ganze da wider?
Müller: Das Institut für Allgemeinmedizin betreibt eine Hochschulambulanz Allgemeinmedizin. Das ist im Grunde hausärztliche Versorgung an der Uniklinik. Und da ist es so, dass ich schon bei der Einrichtung dieser Hochschulambulanz darauf geachtet habe, dass wir die Einrichtung möglichst nachhaltig ausrichten. Das heißt, dass wir zum Beispiel Mobiliar nicht zwangsläufig neu kaufen, sondern erst mal gucken, was gibt es denn im Lager der Uniklinik?
Dann haben wir auch bei der Medizintechnik darauf geachtet, dass wir möglichst generalüberholte Geräte einkaufen. Das ist gar nicht so leicht. Wir konnten zum Beispiel beim EKG die Sauganlage mit diesen Strippen, die dann da dranhängen, als refurbished einkaufen und das spart natürlich immer CO2, also Ressourcen, wenn man so will, aber gleichzeitig auch Geld. Insofern ist das auch aus finanziellen Aspekten ganz sinnvoll, dieser Klimaschutz in der Hinsicht. Wir drucken zweiseitig und versuchen, möglichst digital zu sein. Solche Dinge, darauf achten wir natürlich auch. Wir haben Licht-Bewegungsmelder, Mülltrennung. Das ist natürlich alles relativ klein, wie gesagt, weil es nur eine Ambulanz ist. Aber von dieser Ambulanz aus geben wir durchaus jetzt auch Impulse in die ganze Uniklinik. Und es ist natürlich auch schön, wenn man zeigen kann, dass es funktioniert und dann können sich andere Leute daran orientieren.
Und ganz konkret in der Sprechstunde ist es natürlich auch ein Thema. Das heißt auch dort, je nachdem, was für ein Patient oder Patientin da so vor einem sitzt, kann man dort das Thema Klimaschutz einbringen oder gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels. Aber da gibt es eine ganz große Bandbreite. Also wie gesagt, je nachdem, was für ein Mensch da dann mir gegenübersitzt.
DocCheck: Wie war denn so das Feedback von den Angestellten? Finden die das gut oder eher beschwerlich, diese Maßnahmen?
Müller: Also es ist so, dass ich das Team jetzt hier im Grunde komplett neu aufbauen konnte. Und ich habe schon in den Ausschreibungen gesagt, das Schwerpunktthema wird sein: Der Klimawandel und Hausarztpraxis, Klimawandel und Allgemeinmedizin. Und ehrlich gesagt habe ich mehr, also deutlich mehr Bewerbungen erhalten, als ich letztlich Personen einstellen konnte. Eben weil das ein Thema ist, das gerade die junge Generation auch angeht und betrifft und berührt – meiner Erfahrung nach.
Insofern hatte ich so den Eindruck dadurch, dass ich oder dass wir hier versuchen, wirklich aktiv zu sein im Klimaschutz. Und ich habe den Eindruck, dass wir durchaus auch was bewegen können und auch die Sichtbarkeit des Themas Klimawandel und Gesundheit erhöhen können. Ich glaube, dass dadurch das Team auch wirklich so zusammengestellt ist, dass die alle intrinsisch motiviert sind, dazu beizutragen. Also insofern waren da eigentlich jetzt keine größeren Widerstände. Es ist natürlich schon so, dass es ein Prozess ist zu gucken: Wie viel Klima kann in die Sprechstunde? Ja, da sind wir noch in der Findungsphase, auch im ärztlichen Team. Womit fühlt sich der Einzelne wohl und was ist dann auch authentisch, was ich rüberbringe, das ist sicherlich ein Prozess. Aber dass das Thema Klimawandel und Gesundheit wichtig ist, das ist überhaupt gar keine Frage.
DocCheck: Was würden Sie jetzt Ärzten sagen? Warum sollten die sich mehr dafür einsetzen und ihre Praxen zum Beispiel auch so ein bisschen auf das Thema Planetary Health ausrichten?
Müller: Also ich bin der festen Überzeugung, dass es zum einen einfach unsere ärztliche Verantwortung ist. Wir wollen ja alle, dass es den Patientinnen und Patienten gut geht, dass sie gesund werden oder möglichst gesund bleiben. Und deswegen ist für mich Gesundheitsschutz Klimaschutz. Das hängt für mich einfach direkt zusammen und ist insofern eine allgemeinärztliche Aufgabe. Ist ja auch klar, ich möchte nicht, dass es meinen Patientinnen und Patienten im Sommer schlecht geht. Deswegen kläre ich sie darüber auf, dass sie sich entsprechend verhalten sollen und schau auch noch mal auf den Medikationsplan, ob da vielleicht irgendwas drin ist, was man im Sommer ein bisschen anders nehmen müsste.
Man kann es aber auch aus wirtschaftlicher Sicht sehen und sagen: Klimaschutz ist in weiten Teilen ein finanzieller Vorteil für die eigene Praxis. Denn wenn ich Energie spare, das sehen wir, haben wir ja in diesem Winter schon gesehen, ist das gleichzeitig Klimaschutz – und es tut meinem Geldbeutel gut. Wenn ich Leitungswasser trinke, ist es gleichzeitig gut für meine Gesundheit und für den Geldbeutel, weil ich nicht mehr das Wasser kaufen muss. Und so weiter und so fort. Also, wenn ich Medizintechnik gebraucht kaufe, wenn ich schaue, ob ich Möbel gebraucht kriege, dann ist es immer beides. Also insofern auch aus finanzieller Sicht, finde ich, lohnt sich Klimaschutz ganz häufig.
DocCheck: Was würden Sie denn sagen, wo liegen momentan noch die Grenzen von diesem Konzept? Und wie nachhaltig kann man Praxen tatsächlich gestalten und welchen Unterschied macht das dann am Ende? Das, was man tun kann?
Müller: Also es ist so, dass der Gesundheitssektor ungefähr 5 % der CO2-Emissionen in Deutschland ausmacht. Und damit haben wir natürlich schon als Gesundheitssektor an sich einen großen Hebel. Natürlich kann man sagen, die kleine Praxis macht jetzt nicht den Unterschied. Auf der anderen Seite habe ich immer eine Vorbildwirkung, ich habe ja eine Vorbildfunktion. Ich sehe tausende Patienten übers Jahr und wenn ich das denen allen weitergebe, dann multipliziert sich mein Einfluss. Klar, ob ich jetzt alleine mit dem Fahrrad oder mit dem Auto komme zu meiner Praxis, das macht vielleicht nicht den Unterschied. Aber wenn meine Patientinnen und Patienten das sehen, wenn ich darüber spreche, dann wird mein Hebel eben dann doch größer. Und insofern glaube ich absolut, macht es einen Unterschied. Es ist natürlich schon so, dass ich auch die Politik in der Verantwortung sehe. Ich mache mir da keine Illusionen, dass wir jetzt in der Hausarztpraxis die Welt retten. Aber ich glaube, dass es ganz viele Hebel gibt, an denen wir ansetzen können. Und da sehe ich die Allgemeinmedizin auch in einer entscheidenden Rolle.
DocCheck: Dann vielleicht noch abschließend: Was würden Sie sich wünschen? Wo sollten wir in ein paar Jahren beim Thema Planetary Health in der Medizin stehen?
Müller: Also was uns hier auch am Institut ein großes Anliegen ist, ist, dass das Thema Planetary Health in alle medizinischen Leitlinien integriert wird, sodass es dann eben auch in die medizinische Versorgung kommt. Das ist so auf der medizinisch praktischen Seite etwas, was ich mir wünsche und was ich für unbedingt nötig halte.
Bildquelle: DocCheck und Elena Mozhvilo, Unsplash