Die junge Patientin in der Notaufnahme klagt über starken Thoraxschmerz. Klare Sache – Herzinfarkt, oder? Warum es nicht so einfach ist und welche 5 Ursachen ihr auf dem Schirm haben solltet, erfahrt ihr hier.
Zusammenfassung
Eine Patientin kommt in die Notaufnahme. Sie klagt über starken Thoraxschmerz. Der erste Gedanke, der jetzt vielen durch den Kopf schießt, lautet wahrscheinlich: Herzinfarkt. Doch so einfach ist es nicht, denn die Patientin ist erst 30 Jahre alt. Das macht plötzlich eine Reihe ganz anderer Diagnosen plausibel. Dr. Sebastian Alsleben erklärt, welche Differentialdiagnosen man im Kopf haben muss und wie man bei der Diagnostik vorgeht, wenn der Patient einem nur wenige Anhaltspunkte liefert. Scoring-Systeme sind dabei ein wichtiges Hilfsmittel. Welche dieser Scores wichtig sind und wann man auf sein Bauchgefühl hören sollte, erfahrt ihr im Video!
Transkript des Videos mit Sebastian Alsleben zum Thema Akuter Thoraxschmerz. Es handelt sich um eine 1:1-Abschrift des Gesprochenen im Video.
Sebastian Alsleben: Im heutigen Video möchte ich mit euch die fünf häufigsten Ursachen eines akuten Thoraxschmerzes diskutieren, die für uns in der Klinik relevant sind. Nun ja, die fünf möglichen Ursachen kennen wir alle. Das ist der akute Myokardinfarkt, die LAE, der Pneumothorax, die Aortendissektion oder natürlich auch das Boerhaave-Syndrom. Die sind unterschiedlich wahrscheinlich. Aber wir sollten sie alle im Hinterkopf und eine grobe Idee von ihnen haben. Und das ist mir auch immer wieder in der Klinik als Assistenzarzt aufgefallen, dass das wirklich sehr, sehr wichtig ist, dass wir gewisse Scorings kennen und auch ein Gefühl dafür entwickeln, was könnte was sein. Ein typisches Beispiel ist eben ein junger Mann oder eine junge Frau, Mitte 30, häufig schon in der Klinik so passiert, kommt mit Brustschmerzen, atemabhängig, Druckgefühl auf der Brust und man kann es nicht so richtig einordnen.
Das Erste, was man natürlich immer macht in der Notaufnahme, wenn die Patienten relativ stabil sind, ist, ein EKG zu schreiben, Vitalparameter zu messen. Wenn wir da aber nicht so einen richtigen Hinweis haben und man sieht, gerade wenn wir uns die beiden Sachen akuter Myokardinfarkt, das ACS bzw. die Lungenembolie anschauen, dann müssen wir da uns ein bisschen reinfinden. Wenn keine Rechtsherzbelastungszeichen im Sinne einer möglichen LAE da sind, bzw. keine Erregungsrückbildungsstörung im EKG und die Vitalparameter so einigermaßen stabil sind und in der Anamnese der Patient keine Vorerkrankungen hergibt, müssen wir uns schon Scoring-Systeme zu Gemüte führen und das Ganze im Hinterkopf haben. Da sind eben Scoring-Systeme wie zum Beispiel der Marburger Herz-Score für die Wahrscheinlichkeit eines ACS oder eben aber auch der Wells-Score für die Wahrscheinlichkeit einer TVT bzw. einer LAE.
Ein Beispiel aus der Klinik ist eine junge Dame Mitte 30 gewesen. Initial ein unspezifischer Druck auf der Brust, luftnötig, atemabhängige Schmerzen und nicht so richtig klar. Wells-Score war positiv. Bei aber auch klinischer Verschlechterung der Patientin haben wir uns dann doch dazu entschieden, eine CT-Angio des Thorax zu fahren und tatsächlich hatte sie hier eine beidseitige zentrale LAE. Die Patientin ist dann auf Intensivstation versorgt worden und wurde darunter stabilisiert.
Mir ist es nur wichtig, diese Botschaft an euch heranzutragen, dass man eben zwei Sachen wissen muss: Es ist einerseits die Statistik, die wir kennen müssen und andererseits aber auch, ein Gefühl für Patienten zu entwickeln.
Bildquelle: DocCheck und Alexander Grey, Unsplash